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Der bisherige Ö1-Chef Alfred Treiber hat die Latte für seinen Nachfolger hoch gelegt. Natürlich weiß er auch, wer am besten geeignet wäre – und was der zu tun hätte.

Nach 15 Jahren an der Spitze des Radiosenders Ö1 geht Alfred Treiber mit 1. Juli in Pension. Mit der FURCHE spricht der Senderchef über seine bislang ungeregelte Nachfolge, die künftige Ausrichtung von Ö1 und warum ihm die Turbulenzen rund um die umstrittene Sendung „Welt ahoi!“ Freude bereiten.

Die Furche: Sie haben Ihre journalistische Karriere bei der FURCHE begonnen. Wie war dieser Start ins Berufsleben?

Alfred Treiber: Das war eine finstere Angelegenheit – räumlich, nicht atmosphärisch. Der damalige Kulturchef war mit mir nicht wirklich glücklich und ich mit ihm auch nicht. Daher war mein Abgang logisch. Aber es war eine interessante Zeit. Das katholische Umfeld war mir nicht fremd.

Die Furche: In den nächsten Wochen soll auf Basis eines Dreiervorschlages die Entscheidung über Ihren Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin fallen. Wer ist denn aus ihrer Sicht der beste Kandidat?

Treiber: Das sind alles gute Leute. Schlechte gibt es ja bei Ö1 gar nicht. Ohne jemandem nahetreten zu wollen: Da ist nicht beurteilt worden, wer ist der beste Senderchef ist, sondern wer am besten Senderchef spielen kann. Die meisten Leute, die darüber reden und schreiben, haben schlichtweg keine Ahnung, was ein Ö1-Chef macht. Ich glaube, dass ich am besten weiß, wer der Beste wäre – aber meine Meinung hat nichts bewirkt. Ich ärgere mich, weil ich nicht den Eindruck habe, dass es sich um eine wohlüberlegte, sachliche Entscheidung handelt. Wahrscheinlich ist die Entscheidung schon lange vor dem Hearing gefallen.

Die Furche: Wie sehr beeinflusst denn ihrer Meinung nach die Politik diese Entscheidung?

Treiber: Im ORF ist bald einmal eine Sache politisch. Inzwischen aber bin ich mir nicht mehr ganz sicher, inwieweit meine Nachfolge eine politische Entscheidung ist. Ich bin eher der Meinung, dass der Generaldirektor relativ viel Spielraum hat, wenn er ihn nützen will.

Die Furche: Als Favoritin gilt Radio-Chefredakteurin Bettina Roither, also eine Nachrichtenfrau. Könnte das bedeuten, dass Ö1 sich künftig mehr in Richtung Informationssender entwickeln wird?

Treiber: Informationsleute tendieren grundsätzlich dazu, nur Informationen wichtig zu nehmen und den Rest dessen, wofür Ö1 steht, als Ornament und Verzierung zu betrachten. Das ist keine gute Voraussetzung. Es gibt die Ansicht, das Wichtigste von Ö1 seien die Journale. Dazu kann ich nur sagen: Nein, die Journale sind nicht das Wichtigste. Information ist ein wichtiges Standbein von Ö1, aber das bestreitet niemand. Gefährdet sind ja die Wissenschaft, die Religion, die Kunst, die Kultur. Ö1 steht auf drei Säulen: Information, Qualitätsmusik und das sogenannte kulturelle Wort. Nur die Gesamtheit ergibt die richtige Mixtur und sorgt für den großen Erfolg.

Die Furche: Welche Herausforderungen muss der künftige Ö1-Chef bewältigen?

Treiber: Es wird sehr schwierig sein, den international ganz außergewöhnlichen Erfolg von inzwischen 9,5 Prozent Tagesreichweite und über 700.000 täglichen Hörern zu halten. Eine entscheidende Frage ist: Kann Ö1 eine Antwort finden auf das geänderte Medienverhalten der jüngeren Zielgruppen? Stichwort: Internet, soziale Netzwerke. Eine Antwort wäre die Möglichkeit, Sendungen sieben Tage lange kostenlos im Internet nachzuhören. Da ist das neue Rundfunkgesetz, das die Internetaktivitäten behindert, nicht gerade hilfreich. Das Produkt ist die Voraussetzung für den Erfolg, aber das macht noch nicht den Erfolg. Ö1 muss noch mehr in Richtung einer starken Marke gehen, in der Sprache der jüngeren Menschen: einer Kultmarke.

Die Furche: Ö1 hat viele ältere Hörer. Wie kann man den Spagat zwischen der jungen und der älteren Zielgruppe schaffen?

Treiber: Das ist von Fall zu Fall eine schwierige Entscheidung. Das Publikum wird immer älter. Wir sind zwar bedeutend jünger als alle anderen Kultursender in Europa, aber bei einem Durchschnittsalter von über 55 Jahren ist klar, dass das ältere Segment immer wichtiger wird. Das aber kann nicht bedeuten, die Jüngeren aufzugeben. Mit „Welt ahoi!“ zum Beispiel spricht man ganz bewusst ein jüngeres Publikum an.

Die Furche: Gerade mit dieser Sendung, die nach 30 Jahren den „Guglhupf“ abgelöst hat, haben Sie einen Teil der Hörer vor den Kopf gestoßen …

Treiber: Es war ja nicht beabsichtigt, die Leute zu verärgern, sondern ein Kabarett zu bringen, das einen moderneren Zugang und eine andere Tonalität hat als der „Guglhupf“. Es ist ja ein Märchen, dass dort politisches Kabarett stattgefunden hat. Der „Guglhupf“ war überhaupt nie so gedacht. Das war eine einzige politische Valiuminjektion. Ich sage immer: Nicht alles, was man nicht versteht, ist blöd. Ich bin überzeugt, dass in zwei Jahren kein Mensch mehr mit Abscheu auf „Welt ahoi!“ reagieren wird. Wiewohl ich zum Beispiel gut verstehen kann, dass ein überzeugter Katholik „Das Leben des Brian“ nicht lustig findet, sind auch Monty Python inzwischen Kult und stehen nicht mehr zur Debatte.

Die Furche: Wie erklären Sie sich die überaus vehementen und emotionalen Reaktionen des Publikums auf eine Sendung, die ihm nicht gefällt?

Treiber: Das ist ganz leicht zu verstehen: Einen Teil des Publikums hat es empört, dass man ihnen etwas Liebgewonnenes weggenommen hat. Der „Guglhupf“ war für viele Leute ein Bestandteil des Sonntagvormittags, ähnlich der „Holden Kunst“: Würden wir die einstellen, wäre wirklich der Teufel los. Aber daran denkt kein Mensch, der bei Trost ist. Die von uns kultivierte Hörerbindung hat dazu geführt, dass die einzelnen Hörer tatsächlich glauben, das ist ihr Sender. Und wenn sie fordern: „Weg mit dem Sudelwerk!“ und die Ö1-Führung kommt diesem Wunsch nicht nach, dann empfinden sie das als ungehörig. Im Prinzip gefällt mir diese Aufregung sehr gut, auch wenn ich manchmal etwas schärfer darauf reagiere, als man das von einem Senderchef erwartet.

Die Furche: Vermutlich werden Sie ab jetzt mehr Zeit haben, in Ruhe Ö1 zu hören. Auf welche Sendungen freuen Sie sich besonders?

Treiber: Das Mittagsjournal, das ich bis jetzt aufgrund meiner Berufstätigkeit nahezu nie hören konnte, könnte eine solche Sendung sein. Auch die Zweitausstrahlung vorwiegend anspruchsvoller und hochwertiger Sendungen am Nachmittag halte ich persönlich für sehr gut. Aber ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass ich den ganzen Tag zu Hause sitzen und Radio hören kann. Die Pensionisten, die ich kenne, haben alle überhaupt keine Zeit.

* Das Gespräch führte Michael Kraßnitzer

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