Die scheinbare Leichtigkeit des Todes

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Der französische Künstler Christian Boltanski greift mit seiner Installation „Vanitas“ in der romanischen Krypta des Salzburger Doms die Frage von Tod und Vergänglichkeit auf. Mit einer subtilen Collage bespielt er die mittelalterliche Architektur, ohne das Original anzutasten.

Seit 2002 realisiert die Salzburg Foundation jährlich das Werk eines renommierten Künstlers im öffentlichen Raum des barocken Weltkulturerbes. Nach anfänglich heftigen Debatten finden inzwischen Führungen und damit jene Diskurse statt, zu denen zeitgenössische Kunst anregen will: zur Auseinandersetzung mit den künstlerischen Intentionen an den jeweiligen Standorten der Werke.

Dem Projekt 2009 kommt besondere Bedeutung zu, da erstmals ein Kunstwerk für den sakralen Raum gefördert werden konnte. Der international renommierte französische Künstler Christian Boltanski (geb. 1944) entschied sich unter den angebotenen Alternativen ausdrücklich für eine Arbeit in der romanischen Krypta des Salzburger Domes. Zu wissen, an welchem Ort man sich befinde, war für ihn eine Grundvoraussetzung, sich mit Respekt und Bescheidenheit, wie er sagte, diesem ganz besonderen Raum anzunähern, der als geweihter Teil des Domes einstmals auch als Grablege diente.

„Danse macabre“ der Metallfiguren

Boltanski nimmt mit seiner Installation „Vanitas“ ikonografisch darauf Bezug, greift mit der Frage um Vergänglichkeit und Tod ein großes Thema der Barockzeit auf. Mit einer subtilen Collage bespielt er die mittelalterliche Architektur, ohne das Original anzutasten. Zwölf filigrane Skelett-Gestalten aus Metallblech sind an Winkeleisen auf einer eingestellten Längswand montiert, ihre Schatten zeichnen sich im Schein kleiner Windlichter gespenstisch auf dem Hintergrund ab, beginnen je nach Luftbewegung ihren „danse macabre“. Ein weiteres Element bildet eine kleine, mit zwei Federn ausgestattete Figur, deren scharf konturierter Schatten als Todesengel hinter der Totentanz-Wand aufsteigt, größer werdend das Halbrund der Apsis umläuft, um schemenhaft auf dem Boden zu verhuschen. Akustisch erlebbar verfließt die Zeit im Takt einer computergenerierten Zeitansage und des darauf folgenden Tonzeichens, ein eindringliches „memento mori“ inmitten kreisender und flackernder Chiffren einer jenseitigen Welt.

Boltanskis Totentanz knüpft zwar an die Tradition der seit dem Spätmittelalter in bildender Kunst und Literatur geläufigen Thematik an. Seine Totentänzer agieren jedoch ohne die damals üblichen Begleitpersonen aus allen Gesellschaftsschichten; Mittänzer sind einzig ihre eigenen Schatten und gemeinsam präsentieren sie sich dem Betrachter. Als kleinfigurige Skelette erinnern sie an den Typus des kunstvoll geschnitzten „Tödlein“, wie es etwa in der Kunstkammer von Schloss Ambras erhalten ist. Die scheinbare Leichtigkeit des Todes in „Vanitas“ hat fast etwas heiter Ironisches, auch wenn die Zeichen der Zeit unüberhörbar sind.

Für das barocke Salzburg ist es ein Glücksfall, dass mit dem diesjährigen Projekt der Salzburg Foundation die Wiedereröffnung der romanischen Domkrypta realisiert werden konnte. Die in den fünfziger Jahren freigelegte und anschließend mit einem Betondeckel wieder verschlossene Krypta war seither so gut wie unzugänglich. Mit dem finanziellen Aufwand von einer halben Million Euro (getragen von Domkirchenfonds, Land und Stadt Salzburg und dem Bundesdenkmalamt) und aufwändigen Sanierungsmaßnahmen – weitere Sicherungsgrabungen, die Anlage einer Ringdrainage sowie ein unterirdischer Durchbruch durch die Domaußenwand in der Achse der romanischen Anlage – ist es gelungen, die 1218 geweihte Krypta des sogenannten konradinischen Baues, der nach dem Brand von 1598 dem barocken Neubau weichen musste, aus der verwahrlosten Situation einer „Tropfsteinhöhle“ (Landeskonservator Gobiet) zu befreien.

Christian Boltanski verleiht mit seiner Installation diesem wieder belebten Sakralraum eine mystisch aufgeladene Atmosphäre von intensiver und nachhaltiger Wirkung. Er sieht sein Ziel erreicht, wenn „Vanitas“ nicht mehr als Kunstwerk, sondern als integraler Bestandteil des Raumes wahrgenommen wird. In zahlreichen Werken hat Boltanski sich auf Spurensuche begeben nach biografischen Zeugnissen, nach dem Netzwerk „Zeit“ im Kontext von Glaube und Religion, seit den späten 80er Jahren auch im sakralen Bereich. „Die Menschen können viel tun, aber sie können nicht gegen die Zeit kämpfen. Gott ist der König der Zeit.“

www.salzburgfoundation.at

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