Die Schneise, welche die Bedeutungslücke schafft

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Bei den Salzburger Festspielen wurde das versponnene Stück "Meine Bienen. Eine Schneise“ des Tiroler Dramatikers Händl Klaus und der Osttiroler Musicbanda Franui uraufgeführt.

Der aus einem Innsbrucker Vorort gebürtige Tiroler mit Wohnsitz im schweizerischen Biel Klaus Händl nennt sich als Dramatiker Händl Klaus. Und dieser Händl Klaus ist gewiss ein Tausendsassa. 1995 stellte er sich beim Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt mit einem fulminanten Einsatztext erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor. Seit Anfang 2000 liefert er fast jährlich ein Stück mit mitunter so sonderbaren Titeln wie "Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen“. Daneben macht er schnell einen Film oder spielt selbst mit, etwa bei Michael Haneke. In jüngster Zeit ist er auch als Opernlibrettist äußerst aktiv, was nicht besonders überrascht, ist er doch der wahrscheinlich musikalischste unter den deutschsprachigen Gegenwartsautoren.

Eher ein Singspiel

Zusammen mit der schon fast Kultstatus genießenden Musicbanda Franui aus dem osttirolerischen Innervillgraten hat er im Auftrag des neuen Schauspielchefs der Salzburger Festspiele Sven-Eric Bechtolf ein kompositorisch vertracktes neues Stück geschrieben, das nicht unbedingt als Sprechstück, sondern wegen des besonderen Umgangs mit der Sprache und der Kombination mit Musik eher als Singspiel gelten kann.

"Meine Bienen. Eine Schneise“, das vergangene Woche im Salzburger Landestheater in der Regie des hierzulande gänzlich unbekannten französischen Regisseurs Nicolas Liautard uraufgeführt wurde, zeigt weniger eine Handlung als es vielmehr eine Situation vorführt. Ein Polizist namens Peter (dargestellt von Stefan Kurt) kommt in einen Wald, um die Ursachen für den Brand zu erforschen, der nicht nur eine gewaltige Schneise in selbigen geschlagen, sondern auch vierzehn Bienenvölker ausgelöscht hat. Hier in dieser apokalyptischen Szenerie mit verkohlten Baustämmen, Asche und Kadavergestank wohnt unversehrt und scheinbar davon ziemlich unberührt die naturverbundene Esoterikerin Kathrin (Brigitte Hobmeier), eine Art Fruchtbarkeitsgöttin, die im Wald lebt und den Bauern in der Nacht den von der Arbeit auf dem Felde durchgescheuerten Hosenboden flickt. Die phonetische Nähe von "flicken“ zu einer sexuellen Handlung ist hier nicht zufällig, sondern natürlich vom Autor erwünscht, denn wesenhaft für die Poetik von Händl Klaus’ Texten ist es bei Worten assoziativ einen ganz neuen Sinn entstehen zu lassen.

Auch der Inspektor kennt die laszive Kathrin offenbar von früher und sehr nah, wie ihr vielsagender Blick in des Inspektors Untersuchungskoffer offenbart, wobei die Handschellen bei ihr ziemlich eindeutige Erinnerungen hervorzurufen scheinen. Ihr Sohn Lukas (gespielt und grandios gesungen vom Wiltener Sängerknaben Michael) ist vaterlos aufgewachsen, ein Naturhasser, weil die Natur schweigt, wie die Mutter, die hartnäckig verweigert, ihm zu sagen, wer sein Vater ist. Und diese Stille treibt ihn vor sich her, vielleicht muss er deshalb seine Gewaltfantasien singen, von Brandstiftung bis hin zum Mord. Und jeden im Wald erscheinenden Mann identifiziert er als seinen Vater. So auch Wim (André Jung), einen verwahrlosten Wanderimker mit krimineller Vergangenheit, der sich nicht nur als Bienenhasser outet, sondern auch der Vater Kathrins ist und sogar als Vater von Lukas infrage kommt.

Dunkle Poesie, düstere Ahnungen

Der Fall der Brandstiftung wird letztlich zu einem Kriminalfall eines Familiendramas, den nicht nur Inspektor Peter nicht lösen wird. Denn bei aller sprachlichen Raffinesse, die von Franui aufs Schönste illustriert wird, sodass der Text fast melodramatische Qualität bekommt, krankt das Stück an seiner überladenen Symbolik. Seine Handlung ist so geheimnisvoll, die Spielweise so hochartifiziell, seine Anspielungen und Verweise sind so dicht, dass es implodiert - nicht etwas, sondern alles bedeuten kann. Dieser Theaterabend ist voll dunkler Poesie und düsterer Ahnungen, virtuos geschrieben und gespielt, aber man sehnt sich nach der Schneise, die die Lücke für die Be-Deutung schafft.

Weitere Termine

30., 31. August

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