Die Sehnsucht nach der Langsamkeit

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Ob Ruta del Norte oder Mariazell: Immer mehr Menschen suchen im Pilgern Wege eigene Grenzen zu überschreiten und sich wieder neu zu orientieren.

Es gibt viele Gründe dafür, sich aufzumachen, um große Strecken zu Fuß zu bewältigen. Mancher sieht darin eine sportliche Herausforderung, andere wiederum einen Weg der spirituellen Sinnsuche. Eine klassische Variante ist diesbezüglich das Pilgern und unbestreitbar seine Renaissance als besondere Art des Reisens. Immer mehr und vor allem auch junge Menschen finden Gefallen an der Reise zu Fuß, ein Wunsch nach neuen Erfahrungen in der Gemächlichkeit des Gehens. Religiösen Ursprungs sind die Gründe heute häufig nicht mehr.

Das Ziel ist das Ziel

"Grundsätzlich muss man wohl das offene Pilgern vom klassischen, katholischen Wallfahren unterscheiden“, so Anton Wintersteller, der Projektleiter von "Pilgern in Österreich“. Er sieht Pilgern als eine Synergie aus verschiedenen Faktoren: "Zum einen bringt es wahrlich den Boden unter den Füßen zurück, man lernt offen zu sein für Erfahrungen - spiritueller, menschlicher oder auch sportlicher Art - und nicht zuletzt ist es natürlich auch immer ein Weg zu Gott und zu sich selbst zu finden.

Distanzieren möchte sich Wintersteller aber von der oft zitierten Idee, dass der Weg das Ziel sei: "Das ist nur in der Autowerbung so, der Weg führt immer hin zum Ziel.“ Tage- oder wochenlang Eindrücke am Weg zu sammeln, bewirke eine völlig veränderte Zielerfahrung. "Nach einer Busfahrt komme ich ganz anders in Mariazell an, als nach einer zweiwöchigen Wanderung.“ Der Wandel, der sich mit einem selbst auf dem Fußweg vollzieht, sei erfahrungsgemäß immer spiritueller Natur. Der Weg verändere die Person, es passiere etwas, das man nicht planen könne. "Schritt für Schritt wird man geerdet und gehimmelt“, so der selbst aktive Pilger. "Man lernt, wie wenig man im Leben braucht, um glücklich zu sein. Alles materiell Nötige trägt man im Rucksack bei sich. Man hat einen Schlafplatz, zu essen und spirituelle Kraftorte unterwegs. Vieles wird einem geschenkt.“

Für jeden Menschen ist es ab und zu wichtig, stehen zu bleiben und Abstand zum Alltag zu gewinnen, zu schauen, wo man im Leben steht und wohin man geht. Im Pilgern offenbare sich, was man wirklich brauche, aber dafür müsse man sich auf den Weg begeben - und sei es nur für drei Tage.

Pilgern ist eine Möglichkeit der Neuorientierung im Leben. Es ist ein spirituelles Stehenbleiben durch die aktive Verlangsamung beim Gehen. Dabei ist es keineswegs unbedingt nötig, nach Spanien zu fahren. Österreich hat sich mittlerweile als Pilgerland im Herzen Europas etabliert. Wallfahrtsziele wie Mariazell gelten in der internationalen Pilgergemeinschaft als besonders reizvoll.

Die Heimat neu entdecken

Im Pilgern findet man eine Möglichkeit die eigene Heimat neu zu entdecken, sie auf eine ganz neue Art und Weise zu sehen. Seit nunmehr zehn Jahren engagiert sich Wintersteller für die österreichischen Pilgerwege. Der Fokus seiner Projekte liegt auf deren Vernetzung - sowohl regional als auch international. In Kooperation mit der Österreichischen Post AG wurde nun daraus ein Buch, das Lust auf das Pilgern und die damit verbundene Selbsterfahrung machen soll. Auf Basis zahlreicher Fotos und Ausführungen über traditionelle und neu angelegte Pilgerrouten entstand das Buch "Pilgerwege in Österreich“. Acht themenspezifische Briefmarken sind ebenfalls enthalten. Ein Werk über die Sehnsucht nach dem Gehen, das Zusichkommen und das Anhalten.

Vom Suchen und Finden

Intensiv mit dem Pilgerangebot in Oberösterreich auseinandergesetzt, hat sich Peter Pfarl für "Pilgerwege in Oberösterreich“. Der Band bereitet Routen und Wallfahrtsziele inklusive historischer Daten und Entstehungsgeschichten auf. Umfangreiche und bebilderte Wegbeschreibungen ermöglichen das Eintauchen in die Pilgerlandschaft der Region und stellen zugleich die Frage, wie man auf der Suche nach sich selbst zu Gott finden kann.

Fernab der heimischen Pilgerrouten begab sich Herbert Hirschler auf den Jakobsweg: In seinem Reisebericht "Himmel, Herrgott, Meer, Musik“ schildert der Liedtexter seine Erfahrungen auf der Ruta del Norte in Spanien. Diese gilt als schweißtreibendste Variante der Pilgerstrecke. Seine persönlichen Schilderungen wurden von Freunden aus Schlager- und Volksmusik mit Gedanken zum Pilgern ergänzt.

Pilgerwege in Oberösterreich

Von Peter Pfarl. Edition Oberösterreich 2010.

216 Seiten, geb. € 24,95

Himmel, Herrgott, Meer, Musik

Von Herbert Hirschler. Leykam 2011. 316 Seiten, brosch., € 21,00

Pilgerwege in Österreich

Von Anton Wintersteller u.a. Post AG 2012.

63 Seiten

€ 13,30

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