Die Sensibilität der Sprache

Werbung
Werbung
Werbung

Die Sprache ist der eigentliche Racheengel der Moderne. Ihr wohnt eine Gnadenlosigkeit inne, die jedermann lächerlich macht, der sie missachtet. Literarisches Schreiben ist ein Akt des Dienens, nicht einer der Liebedienerei. Ein Poet vom Schlage des Peter Waterhouse will nicht auffallen und schon gar nicht gefallen. Er hört den Klängen nach, die Wörter verbreiten, er klopft ihren Sinn und ihren Doppelsinn ab, und er bringt sie in eine Struktur, die sie den Marschtritt der Eintönigkeit vergessen lässt und zu noch ungehörten, ungesehenen Bedeutungsmöglichkeiten herausfordert.

Bei Waterhouse wird die Willkür zu Gunsten des Probierens und Neuordnens abgeschafft. So, wie er die Wörter antanzen lässt, so elegant, so selbstbewusst, so sicher ihres Auftrags, die Welt neu zu denken, befreit er sie von den Konventionen, der Alltagswirklichkeit zu Gesicht zu stehen. Zu seiner ersten Veröffentlichung "Menz" (1984) schrieb er: "Menz ist der Versuch, aus einer sprachlichen Verstrickung herauszutreten." Damit war er in die Tradition der Sprachreflexion eingetreten, die all seinen folgenden Texten den Stempel aufdrückte. Der Zweifel hatte den Autor erfasst, der vor dem Problem stand, Wirklichkeit sprachlich zu benennen. Alles, was er festhielt, machte er im Bewusstsein der Flüchtigkeit des sprachlichen Ausdrucks, der allenfalls einen matten Schein der Wirklichkeit abgeben konnte. Also ließ ihn das nur noch intensiver, noch skrupulöser eintreten in die Welt der Sprache, die mit den Phänomenen außerhalb ihrer selbst ein fatales Spiel trieb. Der Band "passim. Gedichte" (1986) weiß davon kein Lied zu singen, aber den kargen Ton des Zweifels anzustimmen.

Konflikt mit der Konvention

Von Anfang an befand sich Waterhouse im Konflikt mit der Konvention. Deshalb will ihm die Möglichkeit des Erzählens nicht einleuchten. Statt Geschichten, in die man sich einnisten könnte, bleiben ihm allenfalls Bruchstücke, die von einer grundsätzlich zerstörten Welt und einem gründlich verstörten Literaten Rechenschaft ablegen.

Im Vorjahr erschien sein Opus magnum, das Buch "(Krieg und Welt)", das den Titel schon deshalb zwischen Klammern setzt, weil es sich damit vom Abbild der Wirklichkeit zu distanzieren vermag. Der Krieg und die Welt sind die Wirklichkeit der harten Fakten, (Krieg und Welt) aber befinden sich im Stadium der Bearbeitung, der Interpretation, der Deutung. Waterhouse schreibt Prosa, die, selbst wenn der Stoff nach intensiver epischer Bearbeitung drängt, in Poesie aufgeht. Er hat etwas zu erzählen, was ihm unter den Nägeln brennt, aber dann zerfällt ihm die Sprache, der er nicht über den Weg traut, und schon mischen sich Reflexionen ein und poetische Verfahrensweisen, die den Fortschritt einer Handlung vorzeitig unmöglich machen. Aus einem Buch über den Vater, der für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat, wird eines, das sich in Fragen, Grübeln und eine hungrige Art der individuellen Wahrnehmung flüchtet. Was ist von einem Buch zu halten, das solch einen Erzählanfang nimmt? "Ich ging aus dem Dorf und träumte vor mich hin einen Satz, oder es waren ein paar Worte oder Worte aus Worten kommend, eine halbe Melodie." Schon wird die Sprache herbeigerufen, die sich als Spielform der Musik zu erkennen gibt und sich von alleine fortspinnt.

Im Innersten von Peter Waterhouse verbirgt sich die Seele eines Lyrikers und Analytikers, dem Schreiben und Lesen zum Neudenken und Neuerfinden von Welt werden. Schreiben als Lebenshaltung hat er gelernt bei Michael Hamburger, dem nach England emigrierten Lyriker, der in Übersetzungen von Waterhouse auf deutsch zu lesen ist.

Ein würdiger Erich Fried-Preisträger ist gefunden.

Anton Thuswaldner

Der Dichter Peter Waterhouse wird mit dem Erich Fried-Preis geehrt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung