Die Spiritualität der Klänge

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Es ist über 40 Jahre her, dass ich im Laufe meines Musikstudiums an der Wiener Musikakademie – der heutigen Musikuniversität – im Nebenfach „Orgelbaukunde“ bei einer damals legendären Persönlichkeit landete: Prof. Hans Haselböck. (Die beiden anderen von mir frequentierten ähnlich berühmten Lehrer waren Anton Heiller und Ernst Tittel – beide längst verstorben.) Was mir an Hans Haselböck damals imponierte, war neben seiner Kompetenz als mehrfach preisgekrönter Organist – am berühmtesten der dreifache Preis in Haarlem – seine Universalität. Sie betraf nicht nur die Musik, in der er als Interpret, Improvisator, Komponist, Rezensent und Buchautor tätig war, sondern seine weit darüber hinausreichende Bildung. Er erschien mir über das Studium der Musik und Philosophie, die Promotion und den Dienst als Gymnasiallehrer hinaus ein rundum gebildeter und interessierter Humanist.

In einer Welt, in der zunehmend das Spezialistentum dominiert, ist er – und nun muss ich zum Präsens zurückkehren – ein umsichtiger und weitblickender Bekenner geworden: ein Professor im eigentlichen Wortsinn. In starker Erinnerung ist mir seine Wortmeldung – gemeinsam mit Anton Heiller – im Streit um die 1960 errichtete „Riesenorgel“ im Wiener Stephansdom. Was heute als Ruine von der Empore über dem „Riesentor“ in die Hallen des Domes schweigt, wurde noch vor der Errichtung als brüllendes Ungeheuer bekämpft und nach der Einweihung als riesiges Harmonium verspottet. Meine Erinnerung ist deshalb ambivalent, weil einer der Promotoren des unglückseligen Instrumentes mein damaliger Orgellehrer und Domorganist Wilhelm Mück war, dem ich für meine musikalischen Grundlagen dankbar bin, bis heute. Doch die Geschichte hat meinen inneren Konflikt längst entschieden. Wenige Jahre später waren Heiller und Haselböck die organistischen Väter der noch heute hochgerühmten großen Linzer Domorgel von 1968.

Ganze Generationen von Organisten und Kirchenmusikern sind in den Jahrzehnten seiner Lehrtätigkeit durch und an Hans Haselböck ausgebildet worden. Sein musikalischer Lebensweg führte ihn von der kleinen Barockorgel seiner Heimat Maria Langegg über Jahrzehnte internationaler Konzerte, Meisterkurse und Jurydienste bis zum Amt als Organist an der Wiener Dominikanerkirche: Er war in seinem Herzen der Musica Sacra verpflichtet, der Kirchenmusik, der Spiritualität der Klänge. Daher auch seine ständige Mitarbeit in der österreichischen Fachzeitschrift für Kirchenmusik „Singende Kirche“. Unsere Wege haben sich seit meiner Studienzeit nur selten gekreuzt, doch meine Wahrnehmung als Musiker, der sich vorrangig der Seelsorge verschrieben hat, hat ihn stets lesend und hörend dankbar begleitet.

Ein Augenblick des musikalischen Staunens sei nachgereicht: Vor Jahrzehnten, an der schönen barocken Chororgel des Stiftes Wilhering, Hans Haselböck in der Grube des versenkten Spielschrankes sitzend, improvisiert einen strengen Kanon – Beispiel besonders vertrackter Kompositionstechnik. Und das Komplizierte schien so einfach.

Der Autor ist Akademiker- und Künstlerseelsorger in Linz und lehrte an der Anton Bruckner-Universität. Sein Buch „Klangrede – Musik als Sprache“ erscheint im Herbst im Verlag Styria.

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