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Dem universalen Rohstoff Holz, über den Österreich im Übermaß verfügt, wird manch mythische Bedeutung zugemessen. Aber das Holz- und Waldmanagement hinkt nach. Die reichen Wälder sind ein zukunftstaugliches Kapital, wenn man es erschließt. Das haben schon Mitbewerber erkannt, denn Waldreichtum gibt es auch anderswo in Europa.

Die 2,2 Millionen Christbäume, die die Österreicher heuer wieder nach Hause tragen, fügen dem Wald kein Leid zu. Für den Wald ist das etwa so, wie wenn sich Menschen die Fingernägel schneiden und danach auf die Waage stellen. Fast die Hälfte Österreichs ist von Baum und Strauch bedeckt, die grüne Fläche breitet sich aus wie das Universum, ohne irgendeinen Laut von sich zu geben. Würde man den grünen Lebensdrang nicht künstlich beschneiden, die Republik würde still zuwachsen. Dann könnte sich die Gesellschaft ihrer Ursprünge besinnen, auch ihres längst vergessenen Platzes auf den Bäumen.

Ein Abglanz der Unendlichkeit

Solches ist nicht geplant, nicht einmal von den Grünparteien modernen Zuschnitts. Nur - was ist geplant? Der Wald, dem die UNO ein ganzes Jahr der Aufmerksamkeit gewidmet hat, frisst sich hierzulande eher nebenbei in die Gegend und steht dann dunkel und mächtig da. Zumindest sehen das die Leute so, aber die Attribute "dunkel und mächtig“ entstehen nicht im Wald, sondern im Gehirn der Dichter und Romantiker und danach von uns allen. Der Wald selbst würde über dieses Missverständnis lachen. Aber etwas zeigt er schon her, nämlich einen irdischen Abglanz der Unendlichkeit - er ist undurchsichtig. Mit dieser Eigenschaft übertrifft jedes Wäldchen am Dorfrand den Sternenhimmel, auf dem mehr Sterne zu zählen sind als Bäume zwischen dem Bregenzer Wald und der Oststeiermark. Dennoch schauen die Astronomen mit ihren Fernrohren zwischen allen Sternen durch, woraus sie schließen, dass der Kosmos keine unendliche Zahl von Himmelskörpern enthalten kann. Der Wald tut schon im Abstand von 50 Metern so, als sei er unendlich.

Seit dem 19. Jahrhundert wurzelte sich der Wald in der rechten Gehirnhälfte der Menschen deutscher Zunge ein. Mit emotioneller Kompetenz werden Waldfriede, Baummord und Waldsterben verarbeitet. Dass der Wald den Österreichern einen ihrer wichtigsten Rohstoffe liefert, nämlich Holz, regt niemanden auf. Holz ist ein Hightech-Produkt der Natur, das entlang der Wertschöpfungskette Forst-Holz-Papier einen Exportüberschuss von 3,42 Milliarden Euro (2010) erzielt. Für die Waldrandbewohner muss aber ein richtiges Haus zumeist aus Ziegeln oder Stahlbeton bestehen und großartige Glasfassaden haben.

Wer denkt im Konzertsaal daran, dass die eindringlichen Töne von Flöte, Saxophon, Violine und Bassgeige auf dem Holzweg daherkommen? Wie viele Frauen haben schon bemerkt, dass Bluse und Unterwäsche aus den in Lenzing aus Buchenholz erzeugten Cellulosefasern bestehen können? Diese sind ein Zukunftsprodukt, weil für die weltweite Baumwollproduktion der Platz zu eng und das Wasser zu knapp wird. Auch in Polsterfüllung und Matratze steckt immer öfter Holz. Das Tanzparkett in der Wiener Hofburg ist aus Holz, im Nijo-Jo-Palast in Kyoto singt der Fussboden sogar, wenn man ihn betritt. Ötzis Pfeile und Kains Keule waren aus Holz, Kanus, Pferdewagen, Ikonen, Weinfässer und Möbel aller Art sind im Wald aufgewachsen. Aber irgendwie reduziert sich "Holz“ in der allgemeinen Wertschätzung auf das Wesen eines Holzscheits.

Holz - das ist für uns wie Öl für die Araber

Dabei sind selbst das Scheit und seine noch kleineren Schnipseln ein phänomenales Stück Hoffnung. Holz brennt und liefert seit Jahrtausenden Energie. Wenn die OMV im Marchfeld die letzten Liter Öl und Kubikmeter Gas herauspresst, macht sie Schlagzeilen. Aber niemand scheint bisher überlegt zu haben, welche Rolle der auf vier Millionen Hektar ewig nachwachsende Wald für die Energiezukunft des Landes besetzen könnte.

Darüber muss man rechtzeitig nachdenken, für den Fall, dass das Erdöl wirklich ausgeht. Folgerichtig sagte der Vorsitzende der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP), Georg Adam Starhemberg, bei den diesjährigen Holzgespräche in Eferding sinngemäß: "Holz ist für uns wie Öl für die Araber.“

Andererseits darf man sich nicht einbilden, dass man bloß halb Österreich abfackeln müsste und die Energiekrise wäre gebannt. Was im Wald stolz in die Höhe gewachsen ist, ist sowieso zu schade zum Verbrennen, zumindest am Anfang der Verwertungskette. Man kann viel mehr daraus machen als Feuer und Asche. Die Natur kommt selbst denen entgegen, die Bioenergie erzeugen wollen, und lässt nicht nur Holzpfosten für den Bau wachsen, sondern Geäst und manche krummen Formen. Aber selbst die sind nicht notwendigerweise fürs Feuer, sondern Grundmaterial für die Plattenerzeuger und auch für das Papier, auf dem die FURCHE gedruckt wird.

Aus der Perspektive der hochmodernen Sägewerke hat das Werk der Schöpfung einen bedauerlichen Fehler. Es wäre alles so viel einfacher, wären alle Baumstämme kerzengerade und hätten einen quadratischem Querschnitt. Das spielt die Natur nicht. Also greift die Industrie zu dem, was diesem Anspruch möglichst nahe kommt, nämlich zur Fichte. Deshalb ist unser Wald kein Tann mehr, sondern ein Ficht. Die überwältigende Mehrheit der Bäume sind Fichten, weil sie schlank und rasch in die Höhe wachsen und nach dem Fall und der Entrindung von Greifarmen mühelos den Sägezähnen zugeführt werden können. Mit der Eiche tut man sich etwas schwer, das weiß jeder Besitzer eines Eichenschranks. Außerdem braucht sie so lange, bis aus ihr ein Möbel wird. Deshalb stehen die Holzverwerter bereits mit Stoppuhr vor Versuchsflächen für "Energiewälder“ - sogenannte Kurzumtriebsflächen mit Weiden, Pappeln, Erlen und Birken. Es wird geprobt, wie sehr sich der zeitliche Abstand zwischen Pflanzung und Verwertung verkürzen lässt. Wer so rechnet, vergisst freilich, dass die Turbogewächse den Boden in zwanzig Jahren in einer Weise auslaugen, wie sich das eine Eiche in hundert Jahren nie gestatten würde.

Wenn schon spekulieren, dann antizyklisch

Besitzer von großen Wäldern sagen über die Kleinwaldbesitzer, sie seien noch zu wenig geschäftstüchtig. Da ist was dran, aber zugleich sorgen die Kleinwaldbesitzer unbewusst dafür, dass der Wald nicht zu einem Business- und Spekulationsobjekt verkommt. Wenn schon, dann spekulieren die Waldbauern antizyklisch. In Zeiten der Wirtschaftskrise lassen sie ihre Bäume wachsen, statt das in ihnen steckende Kapital auf ein Sparbuch zu legen und sich fortan Sorgen wegen Inflation und Euro-Tremor zu machen. Auch das ist ein Aspekt des genialen Ökosystems Lignum, das in Jahrhunderten dank Pflege und wirtschaftlicher Nutzung uns allen gehört. Das soll so bleiben. Der natürliche und gewinnbringende Kreislauf darf auch nicht von Naturschützern zu Tode geschützt werden. Ist ja wirklich komisch, wenn mehr Wald zuwächst, als genutzt wird, während gleichzeitig Holzstämme importiert werden müssen.

Über ein Zukunftsmodell Wald müssten die sehr unterschiedlichen, auf dem Markt heftig rivalisierenden Interessenten nachdenken. Es wäre höchste Zeit, sonst verspielt Österreich eine große Chance. Am besten, man setzt sich auf einer Waldlichtung zusammen und kommt darauf, wie der Schatz zu heben ist, ohne dass er Schaden nimmt.

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