Die Stimme der Tschuktschen

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Vor einigen Jahren hat das IWC, das Internationale Walfang-Komitee, beschlossen, den Tschuktschen den Walfang zu verbieten. Dieses arktische Volk lebt im äußersten Osten Sibiriens zwar schon ein paar Tausend Jahre vom Walfang, der seinen Alltag, seine Kultur, ja seine Religion bestimmt. Aber nachdem internationale Flotten den Atlantik fast leergejagt und leergefischt haben, galt es ein starkes Zeichen der Umkehr zu setzen. Und gemaßregelt wurden ausgerechnet die Tschuktschen, die den Wal von ihren kleinen Booten aus mit Speeren und Harpunen erlegen.

Schon seit 350 Jahren kämpfen die Tschuktschen um ihr Überleben. Damals tauchten die ersten Kosaken in ihrem Siedlungsgebiet auf und wollten den Fortschritt mit Bürokratie, Seuchen und Militärexpeditionen einführen. Später, als das benachbarte Alaska von den USA erworben wurde, kamen die amerikanischen Fischereigesellschaften, die den Walfang mit industriellen Mitteln betrieben und den entsetzen Tschuktschen dafür christliche Missionare und den für sie verheerenden Alkohol brachten. Von den Bolschewiken wurden sie hingegen mit den Vorzügen des Atheismus bekannt gemacht, was nicht ohne die Liquidierung ihrer Schamanen anging.

Nicht mehr als 12.000 Menschen haben den fortwährenden Versuch, sie bald nach kapitalistischem, bald nach kommunistischem Maß zu zivilisieren, überlebt; und diese werden jetzt der organisierten Sentimentalität radikaler Tierschützer geopfert, denn das Verbot von Walfang und Robbenjagd werden sie nicht überleben. Vor zwei Wochen haben sie auch noch die einzige Stimme verloren, die in der Welt unerschrocken für sie einstand, den großen Erzähler Juri Rytcheu, der im Alter von 78 Jahren gestorben ist. Nur im Gedächtnis der Literatur, in seinen grandiosen Romanen (auf deutsch unter anderem "Wenn die Wale fortziehen" oder "Die Tschuktschen-Saga") werden die Tschuktschen überleben.

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