Die Tafel, die alle wischen wollen

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Auch in Österreich werden Tablet-PCs bereits in der Volksschule eingesetzt. Welche Chancen und Gefahren die digitale Welt für den Unterricht schafft.

Sie legen damit Wörterbücher an, schreiben Texte, recherchieren, zeichnen, machen Fotos und Musik. Ab der ersten Klasse Volksschule arbeiten die Schülerinnen und Schüler von Ursula Mulley mit dem Tablet. "Nicht das Gerät steht im Vordergrund, sondern das didaktische Konzept, das ich damit verfolge“, betont Mulley, die Deutsch als Zweitsprache an der Global English Primary School (GEPS) in Wien unterrichtet. Gewisse pädagogische Ziele ließen sich mittels Tablet leichter erreichen: Durch den Internetzugang können die Kinder etwa sofort Übersetzungen aufrufen.

Vor allem die multimediale Vielfalt an Lernmöglichkeiten gefällt Mulley: "Online können wir alles ganz leicht miteinbeziehen: Texte, Bilder, Videos, Sprachaufnahmen. Mit dem Tablet habe ich sämtliche technische Optionen auf einem Gerät.“ Doch behält man als Lehrkraft die Kontrolle darüber, was jedes einzelne Kind online tut? "Wir haben die Suchmaschinen so voreingestellt,“, erklärt Mulley, "dass die Kinder nur auf bestimmte Seiten gehen können. Sie arbeiten ja nie allein mit dem Tablet, sondern in der Gruppe. Und es gibt ja ein Lernziel, das sie erreichen möchten.“

Sicher surfen lernen

Ob das Tablet für alle das geeignete Lernmedium ist? "Ich hätte noch kein Kind erlebt, das in der ersten Klasse dazu nicht fähig wäre.“ Durch ihre Erfahrung mit den Smartphones der Eltern hätten die Kinder einen selbstverständlichen Zugang: "Binnen einer halben Stunde haben sie herausgefunden, wie ein e-book zu erstellen ist“, so Mulley.

Am Ende der vierten Klasse sollen alle mit Excel-Tabellen umgehen können, sämtliche Funktionen im Word-Programm kennen. Dass alle wissen, wie man sicher surft, ist Mulley besonders wichtig: "Wir vermitteln, dass das Internet nichts vergisst und welche Inhalte man nicht ins Netz stellen sollte.“

Das e-learning solle mit der Volksschule einsetzen, damit sich die Schüler an die Geräte gewöhnen, rät Rudolf Zoufal vom Wiener Stadtschulrat. Wichtig sei, die e-learning-Aktivitäten interaktiv zu gestalten, damit der Ablenkungsfaktor im Netz nicht zu hoch wird. Außerdem sollten Tablets nicht ständig verwendet werden, sondern nur für bestimmte Unterrichtssequenzen.

E-learning bedeute nicht bloß ein Ausprobieren und Herumspielen: Mittels Lernplattform erstellen die Lehrkräfte Tests, damit die Schüler ihren Lernerfolg selbst einschätzen oder ihre Leistung mit der restlichen Klasse vergleichen können. Zoufal warnt aber vor einer Übersättigung: "Wenn man das Tablet zu stark einsetzt, wird es für die Kinder genauso zur Routineübung, wie wenn sie jeden Tag von der Tafel abschreiben müssen.“

Mehr Lesekompetenz und vernetztes Denken

Das Projekt "Connected Kids“ führt interessierte Schulen an den digitalen Unterricht heran: Ausgebildete Tutorinnen gehen an Schulen und vermitteln den Lehrkräften das nötige Know-how. "Diese setzen das innerhalb von drei Wochen um“, erzählt Mulley, die selbst Tutorin ist.

Die Pädagogin hat in einer wissenschaftlichen Arbeit herausgefunden, dass sich der Einsatz digitaler Geräte positiv auf die Lesekompetenz und das phonologische Bewusstsein auswirkt. Ihre Erklärung: "Eine einzige Lehrkraft kann mit ihrer verbalen Erklärung nie denselben Lerneffekt erzielen, den die Kinder haben, wenn sie selbst immer wieder auf den Buchstaben klicken und den dazugehörigen Laut hören.“

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet die Volkschullehrerin Barbara Zuliani von der Elementary School Breitenlee in Wien. Sie arbeitet als "distinguished educator“ im Unterricht mit dem iPad, das von Apple gesponsert wird. Wie an jeder anderen Schule arbeiten Zulianis Schüler mit Heften und Büchern. Das iPad ist ein Lernmittel von vielen. "Die Kinder verwenden es täglich etwa 20 bis 30 Minuten. Übers Wochenende und in den Ferien dürfen sie das iPad mitnehmen“, erzählt sie. Von der Lehrerin nehme das iPad aber viel Druck, denn sie könne damit besser auf verschiedene Kinder eingehen, ohne dass andere Kinder gestört werden.

"Dieses Arbeiten macht ihnen Freude und sie sehen es trotzdem als interessante Lernmöglichkeit, nicht nur als Spielerei“, betont Zuliani. Durch das Arbeiten mit den Tablets würde auch das große Verlangen der Kinder nach der digitalen Welt in der Freizeit nachlassen.

In ihrer Masterarbeit hat Zuliani festgestellt, dass der Einsatz digitaler Lernmittel die Kreativität der Kinder signifikant verbessert: "Vor allem das vernetze Denken wird gefördert, weil sie üben, Dinge von verschiedenen Blickwinkeln anzugehen.“ Angesprochen auf die Kritik, dass Schulkinder von Marken wie Apple als Werbezielgruppe benutzt werden könnten, räumt sie ein, dass sie das auch kritisch sieht: "Die Kinder arbeiten aber mit Windows ebenso wie mit Apple. Welche Marke da drauf steht, ist ihnen egal.“

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