Die Tempofalle am Theater

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Burgschauspieler Johannes Krisch ist in die Tempofalle geraten. In der poetischen Version des "Stallerhof"-Dramas von Franz Xaver Kroetz im Kasino am Schwarzenbergplatz spielt er einen schwerfälligen, schlecht behandelten Knecht, der sich an der minderjährigen behinderten Bauerntochter vergeht. Die beiden sind zwei Ausgestoßene, zwei Geschöpfe jenseits des Tempos unserer Zeit, die an Hartherzigkeit und Einsamkeit leiden und in wunderbar stillen Momenten zu echter Zuneigung und Liebe finden.

Zeit hält Krisch für etwas Kostbares. Auf die Temposünder hat er es abgesehen. Die Jungen würden nach schnellem Erfolg streben, und es sei ihnen egal, ob sie den am Burgtheater, in der Stadthalle oder sonst wo erreichen. Die Zeit, sich in eine Rolle hineinzufühlen, den Charakter zu hinterfragen, ihn für sich spielbar zu machen, wolle sich kaum jemand mehr nehmen. Er habe bei "Stallerhof" das Glück gehabt, mit einem Knecht befreundet gewesen zu sein, der sein ganzes Leben lang unbedankt geschuftet habe, schlecht bezahlt gewesen sei und erst nach seiner Pensionierung erfahren habe, dass er der eigentliche Erbe des Hofes sei. Krisch hatte ihn aufgesucht und so die vielschichtige Rolle in zahlreichen Gesprächen erarbeitet.

Noch könnten gute Schauspieler über die Mängel des heutigen Theaterbetriebes hinwegtäuschen. Das Tempo werde allerdings zunehmend zur Falle. Hinter der Jagd nach Quoten, Anerkennung und Medienpräsenz gehe die Sinnfrage nach dem Theater und so manch kostbare menschliche Substanz verloren. An Film- und Fernsehangeboten fehlt es dem Wiener Schauspieler nicht. Allerdings will Krisch - im Gegensatz zu anderen Kollegen - dem Burgtheater die Treue halten und für seinen Berufsstand kämpfen. Die Sieger werden sich ihres Sieges in der Zielgeraden nicht erfreuen können. Sie werden bemerken, dass sie sich auf der Strecke selbst verloren haben.

* Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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