Die Umfragekönigin unter den Parteielefanten

Werbung
Werbung
Werbung

Auch wenn die Franzosen über amerikanische Eigenheiten ansonsten die Nase rümpfen, der Vorwahlkampf um den sozialistischen Kandidaten für die Präsidentenwahl im April 2007 hätte auch jedem US-Republikaner und noch mehr Demokraten zur Ehre gereicht. Die als "Lehrstück der Demokratie" gepriesene Basisabstimmung sorgte für so viel Furore, und dürfte in Frankreich Schule machen: Nicht die Funktionäre, sondern die 220.000 Mitglieder der führenden Oppositionspartei PS bestimmen an diesem Donnerstag, wer für sie um das höchste Amt im Staate antritt.

Klarer Favorit der Medien ist die "Königin der Umfragen", Ségolène Royal. Die Präsidentin der Region Poitou-Charentes vierfache Mutter und Lebensgefährtin von PS-Chef Francois Hollande eilt seit Monaten allen "Parteielefanten" in den Umfragen davon. Meinungsforscher räumen der 53-Jährigen die besten Chancen ein, mit ihrem frischen Auftreten den wortgewaltigen Star des bürgerlichen Regierungslagers, UMP-Chef und Innenminister Nicolas Sarkozy, zu schlagen. Doch nicht die Medien oder Umfrage-Institute bestimmen den Kandidaten, sondern die Parteimitglieder. Darauf setzen Royals Konkurrenten: Ex-Premierminister Laurent Fabius und der frühere Finanz- und Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn. Beide haben starke Bastionen in der Partei. Erhält am Donnerstag keiner der Kandidaten die Mehrheit, sollen sich die beiden Bestplatzierten in einer Woche der Stichwahl stellen.

Mehr Zucht & Ordnung

Die Offizierstochter Royal profiliert sich - wie Sarkozy im Regierungslager - mit populären Tabubrüchen: Sie will halbstarke Unruhestifter mit militärischem Drill in "humanitären Lagern" zur Disziplin rufen und die Arbeit der Abgeordneten von "Bürgerkomitees" kontrollieren lassen. Ihre Leitworte sind "partizipative Demokratie", Ordnung und Familie. Das kommt im Volke an, auch im bürgerlichen bis rechtsextremen Lager. Schwächen offenbarte Royal allerdings in der Außenpolitik. So wagt sie keine eigene Meinung zur Frage der türkischen EU-Mitgliedschaft. Und im Atomstreit mit dem Iran beharrt sie auf der Forderung, Teheran den Zugang nicht nur zur militärischen, sondern auch zur zivilen Atomtechnik zu verwehren.

Für die Wahlforscher ist klar: Um ein Debakel wie 2002 zu verhindern, als der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen den sozialistischen Premier Lionel Jospin überflügelte und in die Stichwahl gegen Präsident Jacques Chirac kam, brauchen die Sozialisten dieses Mal eine populäre Identifikationsfigur - so wie Royal, die sich medienwirksam in Szene setzen kann: Als Ministerin hat sie sich beispielsweise direkt nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter samt Kind von Magazin-Fotografen und TV-Kameras ablichten ließ.

Royal kann sich schließlich auch noch über prominente Rückendeckung freuen. Popstar Madonna bescheinigte der Sozialistin, sie habe "Klasse" und es sei "logisch", dass eine Frau im Frühjahr zur Nachfolgerin von Staatspräsident Chirac gewählt werde. "In vielen Staaten wie Chile und Deutschland haben die Frauen bereits die Macht übernommen", sagte Madonna der Zeitschrift Paris Match - und das sei auch gut so, denn "seitdem betrage sich die Welt besser."WM/APA

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung