Corona autobahn - © Foto: picturedesk.com / DPA / Jan Woitas

Mobilitätswende: Die unbequeme Wahrheit

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Was bedeuten die Klimaziele für den Verkehr? Der Fahrzeugbau muss zurück zu schlankeren, leichteren und somit energiesparenderen Lösungen - bevor man alternative Antriebe neu bewertet. Eine Analyse.

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Was bedeuten die Klimaziele für den Verkehr? Der Fahrzeugbau muss zurück zu schlankeren, leichteren und somit energiesparenderen Lösungen - bevor man alternative Antriebe neu bewertet. Eine Analyse.

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Die Klimaziele der EU für Personenkraftfahrzeuge, als Reaktion auf die Kattowitzer UN-Klimakonferenz im Dezember 2018, sind laut Meinung von Umweltexperten unzureichend, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Autobauer beklagen hingegen, dass sie zu ambitioniert seien, und gar deren Existenz bedrohen. Die Position der Politik zur CO2-Reduktion fand sich naturgemäß in der Mitte, doch wo liegt jene der Fahrzeugnutzer selbst? Fahren um jeden Preis, Einschränkungen akzeptieren, warten auf die technologische Wende? Eigentlich haben die Autofahrer die mächtigste Rolle in dieser Debatte -als Konsumenten, als Fahrzeugnutzer und als Wähler. Und niemand von ihnen will Umweltsünder sein, dennoch überlässt man die Verantwortung pro oder kontra Klima lieber der Autoindustrie oder der Politik.

Die festgesetzten Klimaziele verpflichten jeden Fahrzeughersteller, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen seiner PKW-Flotte um 37,5 Prozent zu verringern, basierend auf den Werten von 2021. Nicht nur das, denn bereits 2021 schreibt die EU für Neuwagen einen mittleren CO2-Ausstoß von 95g/km vor - eine Hürde, an der einige Autobauer wohl scheitern werden. Tatsächlich wären solche Ziele schon schaffbar, aber dazu muss zuerst die Fahrzeugindustrie eine technische Kehrtwende vollziehen, und zwar rasch. Technisch ist hier noch einiges möglich: Das wissen die Hersteller nur zu gut.

Doch mit den jetzigen Produkten ist es einfacher, Kunden zu verwöhnen und den Gewinn zu maximieren -auch wenn gefälschte oder realitätsferne Emissionen der unschöne Preis dafür sind. Ein Mehrpreis, den wir alle zu bezahlen haben. Aber parallel zur Technologie muss auch die Fahrzeugnutzung energiebewusster werden, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Und hier sind sowohl Autofahrer als auch Politik gefragt, denn die Nutzung wirkt wie ein Multiplikator für erzeugte Emissionen. Das gilt in Richtung Klimaschutz, aber eben auch umgekehrt.

E-Mobilität: Hoffnung mit Grenzen

Die Elektromobilität alleine wird hier nicht helfen, denn um diese im Sinne der Klimaziele umzusetzen, soll die dafür aufzuwendende Energie ja zu einem hohen Anteil erneuerbar sein, und schon gar nicht das unpopuläre Mascherl "Atomstrom" tragen. Doch aktuell ist die Stromversorgung EU-Europas vorrangig fossil - mit unter 30 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien (Quelle: Eurostat, 2016). Und trotz des derzeit massiven Ausbaus von Windenergie und Photovoltaik wird man auch noch in mehreren Jahren vorwiegend auf die Energiequellen Erdgas, Öl oder gar Kohle zurückgreifen müssen, um Strom zu erzeugen. Da helfen auch Ökostromangebote von E-Mobil-Ladestellenanbietern kaum, denn diese verschieben lediglich den Markt innerhalb eines nur begrenzt verschiebbaren Angebots.

Österreich hat zugegebenermaßen einen Startvorteil für eine umweltverträglichere Elektromobilität, denn hier gibt es Wasserkraft. Immerhin gut zur Hälfte trägt diese zur Stromproduktion bei. Gemeinsam mit Wind, Biomasse und Solar würde somit ein Elektromobil im aktuellen nationalen Strommix durchschnittlich zu etwa 69 Prozent nicht fossil fahren. Damit ließe es sich hierzulande doch deutlich sauberer fahren als mit Diesel oder Benzin. Aber nur dann, wenn die E-Mobil-Zulassungen tatsächlich synchron mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen liefen. Doch dies ist angesichts fast voll ausgebauter Wasserkraft und begrenzter Möglichkeiten für Biomasse, Wind oder Photovoltaik die nächste Herausforderung -würde doch eine Umstellung von lediglich einem Fünftel aller Straßenfahrzeuge auf Elektroantrieb gut zehn Prozent mehr Strom aus Kraftwerken benötigen (das prognostizierte Verkehrswachstum inkludiert).

Übergewichtige PS-Monster

"Größer, schwerer, luxuriöser" muss wieder "unschick" werden, denn dieser zweifelhafte Entwicklungstrend bei Personenfahrzeugen machte die tatsächlichen technologischen Weiterentwicklungen zur Reduktion des Energieverbrauchs fast vollends zunichte. So konsumierte etwa ein handelsübliches Fahrzeug bereits vor gut 20 Jahren ähnlich wenig Treibstoff wie sein vergleichbarer, allerdings um vier Generationen jüngerer Nachfolger - und das ganz ohne inzwischen ein trendiges SUV ("Sport Utility Vehicle") geworden zu sein.

Doch dem nicht genug, sind die derzeit attraktiven Fahrzeuge mit dem erwähnten Kürzel, das sportliche Dynamik ausdrücken soll, lediglich dann sportlich dynamisch, wenn sie mit ausreichend PS bestückt sind. Mit reichlich Ballast versehen, sind sie sonst eher ein übergewichtiges Ungetüm. Die Überdimensionierung heutiger Fahrzeuge macht sich bemerkbar in deren großen Durst nach Sprit. Elektromobilität würde in diesem Fall nur noch mehr Ballast in Form noch größerer und schwererer Akkus mit dem notwendigen Mehr an Kapazität bedeuten. Die Energievernichtungsspirale windet sich empor, begleitet von unnötigen Emissionen.

Der zukunftsweisende Weg im Fahrzeugbau muss daher zurückführen zu schlankeren, leichteren und somit energiesparenderen Lösungen, optimiert für deren eigentlichen Zweck: den effizienten Transport. Das ist der erste, aber fundamentale Einsparungsschritt nach dem wohlbekannten Motto "die beste Energie ist die eingesparte". Und dies gilt für jegliche Antriebsenergie. Erst danach sollte die Sinnhaftigkeit von E-Mobilität oder sonstiger Alternativen zu Benzin oder Diesel für den jeweiligen Einsatzfall neu bewertet werden, denn diese ist nicht immer gegeben. Nur mit so einer Ausgangsbasis kann der alltägliche Individualverkehr, gemeinsam mit entsprechender Anpassung der Fahrzeugnutzung, klimaschonender werden.

"Zurück in die Zukunft!"

Wahrlich "zurück in die Zukunft" sollte der Weg führen, denn bereits vor etwa 20 Jahren entwickelten namhafte Autohersteller extrem energiesparende Fahrzeuge für den Alltagsverkehr. Leicht, schlank, wenig Windangriffsfläche, kleiner Motor, zwei Sitzplätze: das "Ein-Liter-Auto" war geboren. Als Weiterentwicklung daraus kam 2014 eine etwas größere Hybrid-Antriebsversion als Kleinserie auf den Markt, alltagstauglich, sogar auf der Autobahn-Überholspur, und das mit etwa 70 Prozent weniger Spritverbrauch als ein heutiger Kleinwagen. Elektrisch betrieben ließe es sich damit gar um 80 Prozent klimaschonender fahren: EU-Klimaziele erledigt. Auch wenn noch nicht familienurlaubstauglich, für das alltägliche Berufspendeln wäre so eine Lösung geradezu ideal. Da sie leider nicht ausreichend weiterverfolgt wurden, zählen diese Innovationen zur jüngsten Automobilgeschichte -oder, so bleibt zu hoffen, sie schreiben erst in Zukunft Geschichte.

Es gibt also bereits taugliche Lösungen für den Individualverkehr, die physikalisch belegt massiv Energie und damit auch CO2 einsparen -nicht nur unter untauglichen Testbedingungen, sondern tatsächlich. Und wenn ein Autobauer auf solch entschlackte Technologie setzt und dadurch seine Gewinnmargen trotz bereits getilgter Entwicklungskosten kurzfristig schrumpfen, so werden sich seine längerfristigen Geschäftschancen angesichts der Notwendigkeit der Klimaziel-Erreichung sicherlich verbessern. Es ist sogar anzunehmen, dass Hersteller ihren Weg in die Zukunft nur mit solch einer Innovationsstrategie schaffen werden. Letztendlich ließe sich das vielgepriesene Ideal der sportlichen Dynamik nicht mit übergewichtigen PS-Monstern, sondern viel besser mit Schlankheit und Leichtigkeit vermarkten. Und genau hier kommt wieder die tragende Rolle verantwortungsvoller, kritischer Konsumenten ins Spiel.

Der Autor leitet ein Ingenieurbüro für nachhaltige Energielösungen und Energieeffizienz in Mödling. Er entwickelt und betreut Projekte zu Abwärmenutzung, Solar, Dampf und Verkehr

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