Die Uraufführungsbühne

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In nur drei Jahren hat die Freie Bühne Wieden in Wien 14 Uraufführungen österreichischer Autoren produziert und erreicht damit immer mehr Zuseher.

Ein kräftiges Lebenszeichen in Zeiten der allgemeinen Theaterkrise: 96 Sitzplätze hat die Freie Bühne Wieden, und die sind oft Mangelware. Und das, obwohl hier nicht internationaler Boulevard gespielt wird, im Gegenteil: Seit Gerald Szyszkowitz die Freie Bühne im Januar 2001 übernommen hat, bringt er ausschließlich österreichische Autoren zur Uraufführung. Nicht nur den achtzigjährigen Milo Dor, sondern auch den zweiunddreißigjährigen Peter Poppmeier. Auch Uraufführungen von Peter Turrini, Herbert Rosendorfer und Erika Mitterer hat er herausgebracht.

Schauspieler vom Burgtheater und der Josefstadt wie Rudolf Melichar, Elisabeth Augustin, Dieter Witting und Johanna Thimig spielen neben vielversprechenden Jungtalenten wie Lilli Schwabe, Randolf Destaller und Stefan Moser. Aber auch ein vor allem aus dem Fernsehen bekannter Publikumsliebling wie Walter Scheuer spielt gern in der Freien Bühne.

Autorentheater

In der FBW sind die Autoren bei den Proben immer dabei. Peter Turrini ließ es sich bei Im Namen der Liebe (mit Nina Blum, Michaela Ehrenstein und Rainer Stelzig) nicht nehmen, heftig mitzudiskutieren, auch Herbert Rosendorfer (zuletzt erfolgreich mit 1,5 Millionen Exemplaren seiner Briefe in die chinesische Vergangenheit) streute nach seinen Probenbesuchen von Turandot im April 2003 Rosen: Ich glaube, ich werde die Aufführungen mit eben dem Vergnügen erleben, das ich beim Schreiben hatte: das Schönste, was ein Theaterautor sagen kann. Rosendorfer steht mit der venezianischen Renaissancekomödie Mandragola ab 6.4.2004 wieder auf dem Spielplan. Für die folgende Saison arbeitet er an einer Neufassung von Salome. Diese Kontinuität in der Zusammenarbeit mit den Autoren ist die entscheidende Qualität der Freien Bühne Wieden. Ein neues Stück von Turrini sieht im Winter seiner Uraufführung entgegen, und auch Gerald Szyszkowitz - zuletzt mit seiner Thaya-Trilogie präsent - wird wieder als Autor in Erscheinung treten (im September mit Schubert).

Erika Mitterer - Katholikin und ...

Eine besondere Entdeckung der FBW ist Erika Mitterer (1906-2001). Als Autorin hochgelobt von Rilke, Zweig und Thomas Mann, war sie eine glühende Verfechterin der Frauenrechte und die erste wirkliche österreichische Dramatikerin. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieb sie drei bemerkenswerte Volksstücke, die nun in der FBW uraufgeführt werden. Den Beginn machte die Uraufführung von Ein Bogen Seidenpapier im Herbst 2003. Der Publikums- und Presseerfolg war außerordentlich. Im Herbst zeigt die FBW von Erika Mitterer das Stück Verdunkelung, im nächsten Jahr Arme Teufel.

Doppelte "Bühnenprimiz"

Aber nicht nur bewährten Zugpferden, sondern auch ganz neuen Autoren fühlt sich die FBW verpflichtet. Seit 17. Februar stehen für drei Wochen zwei junge österreichische Dramatiker erstmalig im Mittelpunkt. Talkshow von Thomas Enzinger, geboren 1963 in Wien, thematisiert das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit. Wie weit kann und darf eine Talkshow gehen, und was alles kann sie aus- und anrichten? Kalte und brennende Fragen kalter und brennender Herzen inszeniert Michaela Ehrenstein.

Thomas Enzinger ist Regisseur und Drehbuchschreiber, ist also beruflich nicht weit weg vom Fach des Bühnenautors, hingegen kommt Peter Poppmeier, der Autor des zweiten Stückes, aus einer ganz anderen Ecke. Geboren 1971 in Graz, ist er als Rechtsanwalt und Strafverteidiger mit einer eigenen Kanzlei in Wien tätig. Man kann ihn aber auch in Hörsälen der philosophischen und der theologischen Fakultät antreffen. In seinem Stück Die Undankbaren steht die Frage Mittelpunkt: Ist die Familie ein Wert an sich, dem all ihre Mitglieder besonderen Respekt schulden, oder aber dient sie nur als Vorwand für das Recht des Stärkeren? Ein Familienvater meint "nur für die Familie" zu leben und zu arbeiten, kaum aber sind die Kinder drauf und dran, erwachsen zu werden, kommt es zur Sinnkrise. Die Ehefrau studiert wieder und will sich emanzipieren, die Kinder scheinen frech und undankbar zu sein, und auch bei seinem alten Freund, dem legendären Gustav, findet Vater Bernd keinen Rückhalt mehr. Ist die Welt schlecht und ungerecht, oder ist der "Familienmensch" Bernd selbstgerecht? Gegen Ende des Stückes geht es schließlich hoch her auf der Bühne, auch an Intimitäten gelangt einiges an die Oberfläche...

Poppmeier dokumentiert feministische Fragestellungen im Bürgertum, zeigt Sprachmuster auf und zieht tradierten Stereotypen die Maske herunter. Trotz seines Ernstes ist das Stück aber komisch und erinnert an Molière.

Das Haus

Die FBW, von aussen eher unscheinbar, bezaubert durch den Charme des Raumes in einem mittelalterlichen Kloster. Bis 2000 war das Haus "auf der Wieden" untrennbar mit Topsy Küppers, dem Kabarett und der musikalischen Kleinkunst verbunden, seit Gerald Szyszkowitz die FBW als Uraufführungsbühne österreichischer Autoren etabliert hat, hat sich aber nun ein ganz neues, mit jedem Stück wachsendes Publikum ergeben.

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