Die verdrängte Literatur

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Unser Land ist erfüllt von Harmoniesucht. Wer alles schönredet und sich über tatsächliche Verhältnisse hinwegtäuscht, gewinnt mit Ach und Krach Wahlen und kann so lange weiterwursteln, bis ihm die Versäumnisse der Vergangenheit vollends auf den Kopf fallen. Verändern will bekanntlich kaum jemand etwas; weder in der Politik noch in der Kultur noch sonst wo.

In der Steiermark ist man wenigstens auf der Suche nach neuen theatralischen Formen und Inhalten. Die mutige Intendantin vom "Steirischen Herbst“,Veronica Kaup-Hasler, hat zwei völlig unterschiedliche Theatergruppen beauftragt, den faszinierenden Nachkriegsroman "Die Wolfshaut“ in Landgasthöfen - also gewissermaßen an Originalschauplätzen - umzusetzen. Den jungen Schauspielern vom Theater im Bahnhof und vom Gaststubentheater Größnitz ist es jedenfalls gelungen, vergnüglich lockeres Laientheater und intellektuell anspruchsvolle Performance geschickt zu vereinen. Vor allem aber wollten sie sich mit dem Roman auseinandersetzen. Die Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt, waren beträchtlich.

Die Bücher Hans Leberts sind vergriffen. Eine Biografie des 1993 verstorbenen Autors gibt es nicht. Er war Neffe des Komponisten Alban Berg, Wagnersänger, Antinazi und mehrfach preisgekrönter Schriftsteller. Warum seine Witwe den jungen Schauspielern verboten hat, aus dem Buch zu zitieren, bleibt ebenso rätselhaft wie ihre ablehnende Haltung, ein nach dem Roman entstandenes Hörspiel des WDR als Hörbuch neu aufzulegen.

Die Schauspieler setzten sich mit den Roman-Themen wie Fremdenhass, Außenseitertum und Verherrlichung der Nazizeit auseinander. Die unheimlichen Vorgänge im Dorf Schweigen gehen uns nach wie vor etwas an. "Die Wolfshaut“ lässt sich nicht verdrängen. Eines Tages wird der Roman neu aufgelegt werden.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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