Werbung
Werbung
Werbung

Von der Rechten geht eine enorme Sogwirkung auf die bürgerliche Mitte aus, das Koordinatensystem hat sich schleichend verschoben.

Fromme Wünsche sind zu wenig": Unter diesem Slogan läuft die von drei FP-Landesorganisationen lancierte Kampagne für ein Anti-Temelín-Volksbegehren, das im Jänner zur Unterschrift aufliegen wird. Die Formulierung ist natürlich mit Bedacht auf die Jahreszeit gewählt worden - das Mädchen-Weihnachtsengerl auf dem Plakat unterstreicht die unfrohe Botschaft. Man darf aber davon ausgehen, dass über den besinnlichen Anlass hinaus im besonderen der christdemokratische Koalitionspartner getroffen werden sollte: "Fromme Wünsche" - so sehen sie aus, konservative Weicheier, die.

Im konkreten Fall hält die ÖVP verzweifelt dagegen: Ein Veto nützt niemandem! Allzulange hat man freilich - auch gegenüber Pühringer & Co. in den eigenen Reihen - geschwiegen.

Das Muster der Temelín-Kontroverse ist uns indes längst geläufig: Die Rechte treibt die bürgerliche Mitte fröhlich vor sich her. Wenn die sich einmal wehrt oder zögerlich zeigt, desavouiert der Kärntner Landeshauptmann den Bundeskanzler in einem staatstragenden Interview oder die Vizekanzlerin legt los: "Alsodieövpmusssichschonüberlegenobsieeinfachweitermachenwillwiebishermitderspöoderobsiewirklichechtereformen ..."

Die ÖVP hat eine arbeitsteilige Strategie entwickelt, auf die Eskapaden des Partners zu reagieren, die an klösterliche Strukturen gemahnt: Der Abt (Schüssel) steht gelassen über den Dingen und schweigt, der Prior (Khol) übt Schadensbegrenzung. Er tut dies meist unter Zuhilfenahme sophistischer Umdeutungen, wofür er sich mit seinem Spruch, wonach die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, sozusagen seinen ganz persönlichen "Verfassungsbogen" geschnitzt hat; oder indem er - so etwa geschehen in der Asylpolitik - die Wünsche der FPÖ zu den ureigensten Anliegen der ÖVP erklärt.

Die CDU dürfe sich nicht von der SPD nach rechts abdrängen lassen, postulierte Jürgen Rüttgers, Technologieminister unter Helmut Kohl, dieser Tage bei einer Veranstaltung in Wien. Hintergrund dieser Aussage ist der vom deutschen Kanzler Gerhard Schröder für seine Politik beanspruchte Platz in der "neuen Mitte". Die Union müsse diesen Kampf um die Mitte offensiv aufnehmen, anstatt dem Druck nachzugeben und auszuweichen.

Was Rüttgers für seine Partei verhindern will, ist vielfach freilich längst passiert: Von der Rechten geht eine enorme Sogwirkung auf die konservative Mitte aus. Heute sehen sich die bestätigt, denen - für Österreich gesprochen - die "bunten Vögel", "biederen Christlichsozialen", intellektuellen Querköpfe immer schon als "unsichere Kantonisten", "nützliche Idioten" oder "Krypto-Linke" galten. Mit entsprechenden Disqualifizierungen wurde der Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach rechts ideologisch der Boden bereitet.

Mit viel Emphase und falschem Pathos wehrte sich seinerzeit die EU gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Die "Maßnahmen der 14", die allen Anstandsregeln zivilisierter Politik Hohn sprachen, waren das laute Pfeifen im finsteren Wald: Man ahnte, dass die europäische Welt eben ihre Probe in Österreich gehalten haben könnte. So kam es denn auch, und seither gibt man es billiger - aus guten Gründen, ungeachtet der Bewertung des Phänomens: Italien, Norwegen (nicht EU-Mitglied, aber auch die NATO versteht sich ja als Wertegemeinschaft), Dänemark, auf kommunaler Ebene noch Hamburg - überall kamen die Konservativen nur mit direkter oder indirekter Hilfe der Rechten an die Macht.

Apropos Probe halten: In Österreich fand kürzlich ein Treffen der rechten Eliten des Kontinents statt. Der Bundeskanzler war gar ungehalten, so wurde berichtet, als er darauf angesprochen wurde. Hinter der Zusammenkunft auf Burg Kranichberg stand die Wochenzeitung Zur Zeit, die sich als kritische Wegbegleiterin der FPÖ im besonderen sowie dieser Regierung im weiteren Sinne versteht. Co-Herausgeber und Chefredakteur des Blattes ist Andreas Mölzer, neben dem Historiker Lothar Höbelt der einzig herzeigbare Intellektuelle aus diesem Milieu und deswegen auch gern gesehener Gast in diversen Diskussionsrunden zur Abdeckung des rechten Randes.

Wie Medien zur Analyse der geistigen Verfasstheit eines Landes hervorragend taugen, so lässt sich an Zur Zeit das Verhältnis zwischen "rechts" und "konservativ" in Österreich trefflich studieren. Dem Blatt ist es mittlerweile gelungen, über das doch recht kleine Reservoir jener, die wie Mölzer in deutschnationaler Tradition stehen, hinaus weit in bürgerliche Kreise vorzudringen. Man ist für die ÖVP, beileibe nicht nur für deren rechten Rand, längst salonfähig geworden. Die Mitte wird von rechts aufgerollt. Mölzer wird denn auch nicht müde, sein Bemühen um - wie er es gerne nennt - "hochkonservative", auch katholische Kreise zu betonen. Die Liste der Autoren spiegelt die Bandbreite des "nichtsozialistischen" Lagers wider.

Zu diesem zählt gewiss auch der Journalist Carl-Gustaf Ströhm, unbestrittenermaßen ein Balkan- und Osteuropaexperte von Rang, der sich besonderer Wertschätzung seitens des kroatischen Autokraten Franjo Tudjman erfreuen durfte. In der jüngsten Ausgabe von Zur Zeit lobt Ströhm den "Steher Schüssel" - weil dieser sich gegen die "Diffamierung" des erwähnen Kranichberg-Treffens gewehrt habe. Der Kanzler habe "in diesen von roter Entengrütze' überwucherten Teich ein Steinchen geworfen - nicht mehr und nicht weniger".

Gewiss, man kann sich nicht aussuchen, von welcher Seite der Applaus kommt - aber ob nicht auch hier weniger mehr gewesen wäre?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung