Die wahre Krise des ORF

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn ORF eins im Juni keine zehn Prozent Einschaltquote erreicht, ist das Wasser auf die Mühlen von hausgemachten Kritikern wie Wolfgang Buchner, die nun raten, das erste Fernsehprogramm zu streichen. Bleibt die Frage, warum er dies nicht schon vor seiner Kaltstellung als Administrator und Justitiar des öffentlich-rechtlichen Rundfunks empfohlen hat. Denn die Forderung ist weder neu noch originell, gilt aber auch fast zwei Jahrzehnte nach Gerd Bacher auf dem Küniglberg als ketzerisch.

Derart wird Wolfgang Buchner für den ORF, was Erhard Busek für die ÖVP ist - ein gern zitierter renegater Insider ohne konstruktiven Nutzen für seinen Heimatstall. Dieser gerät mit seinen Sparplänen mitten in den Wahlkampf. Das ist entweder grenzgenial oder voll daneben, aber auf jeden Fall eine Falle, in die fast alle tappen. Denn die Diskussion über Kommerzprogramm und Kulturauftrag vermischt wie eh und je inhaltlichen Anspruch mit wirtschaftlicher Gebarung. In dieser Doppelgleisigkeit der Kritik liegt ihre Schwäche. Denn kein Gemeinwesen kann sich öffentlichen Rundfunk aus ökonomischen Gründen leisten. Dessen Existenzberechtigung entsteht aus seiner Funktion für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. So lange er diese integrative Aufgabe erfüllt, steht er nicht zur Diskussion. Sie keimt auf, sobald die Identitätsstiftung fragwürdig ist.

Wenn also einerseits der ORF Sparkonzepte aus wirtschaftlichen Erwägungen ankündigt statt Inhalte im Sinne des öffentlichen Auftrages zu präsentieren, und ihm andererseits seine Kritiker ökonomische Gesundschrumpfung statt programmatischer Angebotsoffensive empfehlen, wirkt das als doppelter Offenbarungseid: Weder Selbstverständnis noch gesellschaftlicher Anspruch genügen der wahren Notwendigkeit eines öffentlichen Rundfunks. In diesem unserem diskursiven Unvermögen liegt die wahre Existenzkrise des ORF.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung