Die Welt als Datentrümmerfeld

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Mit dem Glaubenskrieg um WikiLeaks-Erfinder Julian Assange hat die globale Kommunikation einen neuen Qualitätssprung erreicht. Es soll grundsätzlich keine Geheimnisse mehr geben, fordern die Hohepriester der neuen Kommunikationsreligion. Nur das Geheimnis, wer ihm das Datenmaterial verraten hat, gibt er nicht preis. Man sollte im gesellschaftspolitischen Diskurs diesen Widerspruch nicht vergessen.

Die Veröffentlichung von 251.287 Dokumenten des US-Außenamtes hat Altbekanntes bestätigt: Auch Diplomaten wechseln, so wie wir alle, hinter verschlossenen Türen von einem vorsichtig formulierenden Öffentlichkeitssprech in private, oft derbe Deutlichkeit. Das kann auch ein immunisierender Selbstschutz vor Mega-Problemen sein. Wer von Welthunger und Klimawandel und Atomverstrahlung ständig nur bedeutungsschwanger redete, müsste an dieser Wortwahl ersticken. Wer darauf so angerührt reagiert wie manche (im Übrigen meist recht treffend beschriebene) Politiker, illustriert nur das Problem: Ohne Verschwiegenheitskultur geht jedes Vertrauen verloren.

Als der türkische Botschafter in Wien für uns schmerzende Wahrheiten aussprach, die wir hören müssen (aber nicht von fremden Diplomaten), waren alle auf die Türkei böse. Wenn alle Vertreter ausländischer Staaten öffentlich über ihr Gastland herzögen, würde Hass aller auf alle in der Welt gezüchtet. Als Nächstes würde kein Diplomat mehr einem anderen die Wahrheit verraten. Das soll die Welt sicherer machen? Dreimal nein: Assange ist kein Held der Meinungsfreiheit! Und der Gipfel des Skandals: dass ein selbsternannter Weltenrichter entscheidet, welche Geheimnisse gut und welche schlecht für die Menschheit sind!

Rechtlich ist dem Problem schwer genug beizukommen, aber ein prinzipieller Vertraulichkeitsschutz muss bleiben. Und als Regel (© Horst Pirker): freiwillig öffentlich machen, was nur geht. In Staaten und Kirchen!

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