Die Welt ist nicht heilbar

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Frankls universeller Weltverbesserungsversuch muss scheitern.

Viktor Frankl 1905-1997

Logotherapeut

Viktor Frankl hat sich in seinem Furche-Text viel vorgenommen, geht es doch darum, die alles andere als "heile Welt" endgültig in Ordnung zu bringen. Das wäre schön, selbst wenn der Erfolg dieses Versuchs zweifelhaft bleiben sollte. Diejenigen, die der "heilen Welt" von vornherein kritisch gegenüberstehen, werden aber zugleich als Verteufler einer großen Hoffnung angesehen, um welche Frankl die Menschheit gebracht sieht. Denn "jenseits der Wirklichkeit" der im Argen liegenden Welt sieht er "eine Möglichkeit aufleuchten", die Wirklichkeit zum Besseren zu verändern.

Für diese Haltung fordert Frankl Verständnis: "Aber sie werden verstehen müssen, daß es mir als Arzt widerstrebt, es dabei bewenden zu lassen." Dabei verfügt er offenbar über eine umfassende Kompetenz, die alle Übel der Welt umfasst - und das sind viele: Im Argen liegt die Welt ja auch, weil die Menschen Zahnweh bekommen; oder weil ein Hurrikan ganze Kontinente verwüstet. Gegen ein solches Übel, das nicht nur Ärzte aufregt, gibt es freilich keine Arznei. Nicht einmal alle Krankheiten sind heilbar, bei allem Respekt vor den Fortschritten der Medizin. Der Bereich des Argen, Gestörten, Unglücklichen ist so ausgedehnt, dass es ausgeschlossen ist, mit ihm gänzlich fertig zu werden. Das ist umso schlimmer, als es Frankls Provokation - "Die Welt ist nicht heil, aber heilbar!" - als belanglos erscheinen lässt.

Frankl sucht nach dem Universalschlüssel gegen jene Massenneurose, die charakterisiert ist "durch ein weltweit um sich greifendes Sinnlosigkeitsgefühl" - wobei das Wort Sinnlosigkeit bei Frankl gleichsam "staatstragend" wird. Wir werden erinnert an Bemerkungen großer Geister wie Friedrich Nietzsche, die schon vor Jahrzehnten die Menschheit taumelnd, aber fasziniert auf den Untergang zuhasten sahen - "wie auf eine Katastrophe los: unruhig, gewaltsam, überstürzt: einem Strome ähnlich, der ans Ende will, der sich nicht mehr besinnt".

Auch Karl Marx will nicht einfach die universelle Misere beschreiben, vielmehr Mensch und Gesellschaft grundlegend verändern, verbessern, um 180 Grad "auf den Kopf" oder "auf die Füße" stellen. So ähnlich wünscht sich auch Frankl den Verlauf der Welt - aber auf Grund seiner Intervention(en), die man im Detail zu studieren hat, um ihre Logik zu erfassen.

Sollte es aber nicht schon einen universellen Versuch gegeben haben, die Welt aus den Angeln zu heben? Mir fiele da das Christentum ein.

Der Autor ist Psychotherapeut und hat 1963 gemeinsam mit Friedrich Heer und August Maria Knoll das Buch "Kirche und Zukunft" herausgegeben.

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