Die Welt steht auf jeden Fall noch lang genug

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Im Theater in der Josefstadt bietet Regisseur Georg Schmiedleitner mit einer findigen Interpretation eine aufschlussreiche Sichtweise auf Nestroys "Lumpazivagabundus“.

Auch das Feenreich ist von der Wirtschaftskrise nicht verschont geblieben, zum Glück ist Feenkönig Stellaris bereit, das Land wieder zu entschulden. Als Hauptverursacher der Misere wird der böse Geist Lumpazivagabundus, Beherrscher des Lustigen Elends, Beschützer der Spieler und Protektor der Trinker, ausfindig gemacht. Der soll nun schnellstmöglich aus dem Zauberland verbannt werden, doch das schert diesen wenig, weiß er doch, dass seine Anhänger gerne bereit sind, sich immer wieder aufs Neue ins Unglück zu stürzen. Bevor der Unruhestifter aber verschwindet, zettelt er noch einen Streit zwischen Amorosa, Beschützerin der wahren Liebe, und Glücksfee Fortuna an. Um den Frieden wieder herzustellen, muss Stellaris einen Wettstreit ausrufen - und schon nimmt eine der bekanntesten Nestroy-Geschichten ihren Lauf.

Sozial- und Wirtschaftsdebatten

Gespickt mit zahlreichen Anspielungen auf aktuelle Sozial- und Wirtschaftsdebatten hat Regisseur Georg Schmiedleitner die Alt-Wiener Volkskomödie aus dem Jahr 1833 für die Josefstadt inszeniert. Nachdem die Neufassung, die bei Franzobel in Auftrag gegeben worden war, in Ungnade fiel, hat man sich für den Originaltext entschieden und diesen - stark gekürzt und szenisch umgearbeitet - nun zur Saisoneröffnung des Hauses auf die Bühne gebracht. Mit seiner findigen Stückinterpretation bietet Schmiedleitner eine aufschlussreiche Sichtweise auf Nestroys Spiel ums vergeudete Glück. Denn die drei Auserwählten, Knieriem, Leim und Zwirn (solide gespielt von Martin Zauner, Rafael Schuchter und Florian Teichtmeister), um die sich der Wettstreit der Feen entspinnt, können mit dem Geldsegen, der ihnen nach einer durchzechten Nacht unversehens zufällt, natürlich nicht gut haushalten. Der weltverdrossene Kniereim versäuft es, und der charmante Zwirn bringt es bei seinen schlampigen Bekanntschaften durch. Einzig der brave Leim hält sein Geld beisammen, kehrt zu seinem Meister Hobelmann (Toni Slama) zurück und heiratet die Tischlerstochter Peppi (Daniela Golpashin). Die neugewonnenen bürgerlichen Wertvorstellungen und neoliberalen Binsenweisheiten möchte er gerne auch seinen beiden Freunden umhängen, die jedoch stellen sich als resistent heraus. Denn so wie der biedere Leim möchten sie gar nicht werden. Ab hier kann nur mehr Amorosa helfen, die ihr Liebesglück ungefragt über die drei verdutzten Herren ausschüttet.

Auf der leeren, ganz in schwarz gehaltenen und nur mit Sternen bestückten Bühne wird aus der Zauberposse mit Gesang ein trashiges Musiktheater mit Flipperautomaten, leuchtenden Neonherzen, viel weißem Theaterrauch und Livemusik von den Sofa Surfers. Als wichtigstes Bühnenelement dient ein Seilzug, auf dem die Requisiten je nach Bedarf hoch- und runtergezogen werden, und mit dem es sich die Zauberwesen (Alexander Waechter, Lotte Ledl, Marianne Nentwich, Gideon Singer) gerne mal am Bühnenplafond gemütlich machen. Die Golden-Ager der Josefstadt geben eine illustre Feenreichrunde ab.

Durchhänger im Lauf des Abends

Glanzlicht der Inszenierung ist aber zweifellos Erni Mangold als Lumpazivagabundus: Mit Glatze und hochgeschlitztem Abendkleid sorgt sie als krakeliger böser Geist für spritzige Spannungsmomente an einem ansonsten lauen Theaterabend. Denn über weite Strecken hat die Inszenierung mit Durchhängern zu kämpfen, und Nestroys derb-komische Zwiegespräche werden durch Mängel im dramaturgischen Konzept viel zu selten ausgespielt. Allein die Szene zwischen Knieriem, Zwirn und Hobelmann, bei der ihnen der Tischlermeister verzweifelt versucht, den Brief ihres Freundes Leim vorzulesen, lässt den Nestroy’schen (Sprach-)Funken einmal überspringen.

Schmiedleitners Umdeutung ist aber durchaus gelungen und seine Zweifel am bürgerlichen Lebens- und Liebesglück ergeben ein starkes Schlussbild: Fein herausgeputzt, jeder mit Ehefrau am Arm und Kinderwagen vor sich, geben die drei ein wahrhaft schauerliches Bild ordentlicher Verhältnisse ab.

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