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Die Festspiele Reichenau zeigen Stefan Zweigs "Rausch der Verwandlung". Toni Böhm hätte mitwirken sollen, aber der Schauspieler ist überraschend im Alter von 57 Jahren gestorben.

Über dem Roman "Rausch der Verwandlung" liegt kein gutes Omen. Der angekündigte Doppelselbstmord in Stefan Zweigs Roman fand im Jahr 1942 seine reale Entsprechung im Freitod des Autors und seiner Frau Lotte Altmann. Und nun, eine Woche nach der Uraufführung, starb der 57-jährige Toni Böhm, der in der Dramatisierung die Rolle des Anthony van Boolen spielte. Böhms letzte Rolle ist eine der sympathischsten Figuren in Zweigs Zwischenkriegsroman, den er 1930 begonnen hatte.

Muppet-Show in Reichenau

Im Jahr der vielen Jubiläen (Mozart, Freud und Kraus) darf auch Zweig nicht fehlen, der vor 125 Jahren geboren wurde. Der Wiener Autor Stefan Slupetzky hat für die Festspiele Reichenau eine kompakte szenische Fassung eingerichtet. Den "Prosa-Kitt", das Hintergrundwissen und die verbindenden Stellen löst er geschickt durch zwei Figuren namens Konrad und Alois (Alexander Lhotzky, Hannes Gastinger). Wie die beiden Alten aus der Muppet-Show kommentieren sie zynisch den Lauf der Geschichte, als wären sie vom Schicksal Gesandte, allerdings ohne Portfolio.

Die Krise zeigt sich bitter am scheinbar trostlosen Leben des Postfräuleins Christine Hoflehner. Ein Zufall führt sie aus der Klein-Reiflinger Amtsstube in die Schweizer Alpen, wo sie als Gast ihrer reich verheirateten Tante Klara (Sylvia Lukan) die Welt von oben zu sehen bekommt.

Der Wohlstand mit all seinen dazugehörigen Annehmlichkeiten präsentiert sich ihr als Laune des Schicksals, die sich genau so schnell ändert, wie in den Bergen das Wetter. Die wunderbare Regina Fritsch spielt dieses kluge "Fräulein" ungelenkig und verführbar, dennoch um ihre Zukunft wissend: Als Spielball des Schicksals darf aber auch sie einmal Prinzessin sein, Teil einer Welt aus Glamour und Leichtigkeit. Toni Böhms Onkel Anthony ist ein charmanter, feiner Herr, berührend und warm, sein amerikanisch gefärbtes Deutsch klingt nach Emigration, ohne die Herkunft zu verraten.

Das Schweizer Luxusquartier beherbergt eine neureiche Society, Kriegsgewinnler und Möchtegern-Aristokraten. Die vergnügungssüchtige Gesellschaft (Christoph Zadra, Sascha Weis, Tamara Metelka) sucht Erlebnisse und da kommt die Denunziation Christines durch die wohlhabende Frau Falkenstein (Marianne Nentwich) ganz passend.

Die Wahl der Regisseurin Beverly Blankenship war heuer die beste Regie-Entscheidung des Reichenauer Intendanten Peter Loidolt. Zusammen mit ihm als Bühnenbildner und dem erfahrenen Musiker Peter Kaizar hat sie eine traumhafte Atmosphäre für das Stück entwickelt.

Schikanen und Prinzipien

Der zweite Teil rast dann einem überraschenden Ende entgegen: Im Kriegsheimkehrer Ferdinand (den Michael Dangl allzu unversehrt spielt) findet Christine einen, der sie versteht. Aber Arbeitslosigkeit und soziale Kälte höhlen sämtliche Möglichkeiten aus. Die Polizei schikaniert sie, bis sich der Suizid als einziger Ausweg präsentiert. Doch selbst in Klein-Reifling wendet sich die Lage für Momente ins Gute: Es ist Quartalsschluss, 60.000 Schilling gleiten durch Christines Hände. In der bittersten Not, in der "der Staat nur genommen hat", ist Redlichkeit für die beiden kein Prinzip mehr.

Hans Dieter Knebel wird in dieser leisen Inszenierung Toni Böhms Rolle übernehmen; die große Lücke, die dieser brillante Schauspieler hinterlässt, wird aber unersetzbar bleiben.

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