Die Wiener Baukultur der Moderne

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Im Sommer 1932 konnten in der Werkbundsiedlung im 13. Wiener Gemeindebezirk neue Formen des Wohnens bestaunt werden. Das Wien Museum Karlsplatz widmet der Werkbundsiedlung nun anlässlich des Achtzig-Jahr-Jubiläums eine Sonderausstellung.

Wie wohnen?“ Unter diesem Schlagwort wurde in den 1920er-Jahren nach zeitgemäßen Wohnformen gesucht. Im Wien der Zwischenkriegszeit hatte sich die Siedlerbewegung formiert. Hunger und Wohnungsnot trieben die Menschen nach dem Krieg in den Wienerwald, wo sie kleine Häuser bauten. Den wilden Siedlungen folgten genossenschaftlich organisierte Wohnformen. Die Siedlerbewegung propagierte Kleinhäuser mit Gärten zur Selbstversorgung als adäquate Wohnform. Der Österreichische Werkbund, eine 1912 gegründete Vereinigung von Architekten, Handwerkern und Industriellen, griff die Idee der Siedlerbewegung auf und verknüpfte sie mit den Ideen zum modernen Bauen. Ziel des Werkbundes war es, qualitativ hochwertige Architektur durch die Verbindung mit industrieller Produktion der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Höhepunkt der Tätigkeit des Werkbundes war der Bau der Werkbundsiedlung im 13. Wiener Gemeindebezirk. Die Werkbundsiedlung umfasste siebzig ausgestellte Musterhäuser und wurde zur größten Bauausstellung Europas. Achtzig Jahre nach der Eröffnung im Sommer 1932 zeigt nun das Wien Museum am Karlsplatz die Schau "Werkbundsiedlung Wien 1932 - Ein Manifest des neuen Wohnens“.

Alternative zu Wohnburgen des Roten Wien

Anhand von Bild- und Textdokumenten beleuchtet die Schau die historischen und kulturpolitischen Hintergründe der Werkbundsiedlung. Anfangs hat die Stadt Wien das Siedlungshaus als Wohnform unterstützt. Im Lauf der 1920er-Jahre gab die Stadt jedoch den innerstädtischen Wohnburgen den Vorzug. Mit monumentalen Bauten wie dem Karl-Marx-Hof konnte die sozialistische Ideologie besser transportiert werden als mit dem Kleinhaus am Stadtrand. Der Werkbund hingegen plädierte für den Ausbau der Siedlungen. Auf kleinstem Raum sollte ein Maximum an Wohnkomfort erreicht werden. Unter der Leitung des in Baden geborenen Architekten Josef Frank entwarfen dreißig Architekten und eine Architektin (Margarete Schütte-Lihotzky) insgesamt siebzig Musterhäuser. Die Häuser haben ein bis drei Geschoße und wurden meist zu Reihenhäusern angeordnet. Jedes Haus verfügt über einen 200 Quadratmeter großen Garten. Ein von TU-Studenten gebautes Gesamtmodell veranschaulicht die Werkbundsiedlung. Die einzelnen Häuser von Adolf Loos, Richard Neutra und anderen werden jeweils durch eine Innenaufnahme und eine Außenaufnahme dokumentiert. Bisher unbekannte Zeichnungen und Pläne verdeutlichen den Entstehungsprozess der Anlage. Auch die Farbgestaltung der einzelnen Häuser wird dokumentiert. Josef Frank war Vertreter einer undogmatischen Moderne und wollte durch die farbliche Gestaltung der Häuser jede Monumentalität verhindern. Nach dem Konzept des Malers László Gábor erhielt jedes Haus seine eigene Farbe.

Einen Schwerpunkt der Schau bildet die Einrichtung der siebzig Musterhäuser. Auch hier setzte Josef Frank auf Vielfalt - mit bunt bemalten Möbeln und kräftig ornamentierten Stoffen. Vom Lehnstuhl über den Klappstuhl bis zum schweren Fauteuil werden alle Varianten des Sitzens durchgespielt. Via Fernsehschirm erzählt einer der ersten Bewohner der Werkbundsiedlung aus seinem Leben und vermittelt den zeitgeschichtlichen Kontext. Er musste, wie viele jüdische Architekten der Werkbundsiedlung, vor dem NS-Regime aus Österreich fliehen. In Fernsehbeiträgen aus den 1980er-Jahren sprechen die Bewohner der denkmalgeschützten Siedlung über die Problematik des Wohnens in einem Denkmal. Großbildaufnahmen zeigen die derzeit sanierten Häuser der Werkbundsiedlung. Zur Ausstellung gibt es ein vielfältiges Rahmenprogramm und einen im Verlag Müry Salzmann erschienenen Katalog.

Werkbundsiedlung Wien 1932

Ein Manifest des neuen Wohnens

Wien Museum Karlsplatz

bis 13. Jänner 2013, Di-So 10-18 Uhr

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