"Die Windsors liegen im konservativen Zeitgeist“

Werbung
Werbung
Werbung

Österreichs Botschafter in London, Emil Brix, ist zur Hochzeitsmesse geladen. Im Interview erläutert er die besonderen Umstände der britischen Monarchie.

Feiern des Königshauses gelten den Briten noch immer als "legitimer Ausdruck für Nationalstolz und Patriotismus“, sagt Emil Brix, Österreichs Botschafter in London im Interview.

Die Furche: Die Einstellung gegenüber dem Königshaus scheint in England zwiespältig zu sein?

Brix: Die republikanischen Strömungen und die Kritik an goldenen Kutschen waren intellektuell schon einmal stärker. Die Windsors liegen im konservativen Zeitgeist, der auch in den Schulen wieder nach mehr Vermittlung nationaler Geschichte verlangt. Die Mehrheit der Briten schätzt das Königshaus als Symbol für Tradition und Kontinuität, aber natürlich gibt es in Zeiten radikaler Budgetkürzungen Kritik an den hohen Kosten für die Mitglieder der königlichen Familie, besonders hinsichtlich der sogenannten "minor royals“. Derzeit erhalten 14 Familienmitglieder öffentliche Mittel.

Die Furche: Aber der Monarchie wird zugestimmt?

Brix: Für die Abschaffung der Monarchie sprechen sich bei Umfragen etwa 30 Prozent der Bevölkerung aus. Die seit fast 60 Jahren regierende Königin Elisabeth ist für das Ansehen der Windsors und der Krone ein Glücksfall. Sie ist - trotz der Turbulenzen um das Verhalten der Familie gegenüber Lady Diana - beliebt, was nicht für alle Familienmitglieder gilt. Als Botschafter trifft man sie bei offiziellen Anlässen. Ich habe sie stets als sehr gut informiert, souverän und sympathisch erlebt.

Die Furche: Wie erträgt die Öffentlichkeit die Eskapaden, die teils skurrilen Auftritte?

Brix: Großbritannien ist das Mutterland des Skurrilen. Bei traditionellen Briten ist der Ruf, ein Exzentriker zu sein, weit populärer als die Einschätzung, ein Intellektueller zu sein. Da Mitglieder des Königshauses sich nicht politisch äußern, werden ihre Auftritte als Teil des britischen Kulturerbes eingeordnet.

Die Furche: Was ist denn noch monarchisch?

Brix: Die britische Historikerin Antonia Fraser nennt Großbritannien das erfolgreiche Beispiel einer "limited monarchy“. In der langen englischen Geschichte wurde vom Mord an Kirchenfürsten über die Enthauptung eines Königs bis zu einer kurzen republikanischen Schreckensherrschaft unter Oliver Cromwell schon vieles von den denkbaren Varianten der Kontrolle politischer Macht versucht. Man hat sich schließlich für die volle Parlamentssouveränität bei Beibehaltung der Monarchie entschieden. Der Monarch steht für die Kontinuität und Verfassungsmäßigkeit und für den Zusammenhalt des "Vereinigten Königreiches“. Mit Ausnahme ihrer Funktion als Oberhaupt der Staatskirche, ihrer Rolle für den "Commonwealth“ gibt es nur mehr wenige monarchische Restbestände, die die Rolle der Königin von der eines repräsentativ gewählten Staatsoberhauptes unterscheiden. Praktisch die gesamte faktische Macht liegt beim gewählten Teil des Parlaments (House of Commons).

Die Furche: Behindert der Bestand der Monarchie die Entwicklung zu einer egalitären Gesellschaft?

Brix: Die Entwicklung zu einer egalitären Gesellschaft wird nicht von der Monarchie behindert, sondern vom traditionellen Selbstverständnis der gesellschaftlichen Gruppen. Ich zitiere nochmals Fraser: "Die Fixierung auf Standesfragen ist die schlechte Seite des englischen Nationalcharakters.“ Sie verwendet dabei bewusst den Begriff "Englishness“, weil sich in Schottland und Wales sehr wohl egalitäre Gesellschaften ausgebildet haben. In England sind weite Teile der Arbeiterschaft, der Landbesitzer und des Adels stolz auf ihre Standeszugehörigkeit und selbst in der Verwendung der englischen Sprache werden diese Unterschiede gepflegt und als Ausdruck eines Gruppenbewusstseins hochgehalten. Dies gilt teilweise auch für die großen längst eingebürgerten Migrantengruppen aus den ehemaligen Kolonien. Allerdings wird auch in England die bürgerliche Mittelschicht immer breiter, die ein offeneres System fordert. Die wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Nachteile einer ständischen Gesellschaft vermindern die Wettbewerbschancen Großbritanniens. Der Wandlungsprozess ist schwierig. Das zeigen die zunehmenden Einkommensunterschiede und ungleich verteilten Bildungschancen. Das Rezept der neuen konservativ-liberaldemokratischen Regierung lautet Aktivieriung des bürgerlichen Sozialkapitals.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung