"Die Wirtschaft nicht krank jammern!"

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Wie reagiert die Regierung auf den Wirtschaftsabschwung? Bleibt es beim Nulldefizit-Kurs? Der Klubobmann-Stellvertreter des ÖVP Parlamentsklubs, Günter Stummvoll, nimmt im furche-Gespräch Stellung.

die furche: Der politische Streit geht derzeit vor allem um die Frage, ob sich Österreich in einer Rezession befindet oder nicht. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation?

Günter Stummvoll: Wir sind es gewohnt, volkswirtschaftliche Kennzahlen in Kalenderjahren zu sehen. Österreich wird heuer, so wie alle westlichen Industriestaaten, einen Rückgang des Wirtschaftswachstums haben. Rückgang des Wachstums ist aber keine Rezession, ja, nicht einmal eine Stagnation. Stagnation wäre Nullwachstum, Rezession wäre Minuswachstum. Laut aktuellen Prognosen wird Österreich für heuer 1,2 Prozent und für nächstes Jahr 1,5 Prozent reales Wachstum vorausgesagt. Heuer und nächstes Jahr wird es ein - leider abgeschwächtes - Wirtschaftswachstum geben, somit keine Stagnation und noch weniger Rezession.

die furche: Welche Rolle spielt in diesen Frage die Psychologie?

Stummvoll: In der Wirtschaft spielt das Klimatische, das Atmosphärische, das Vertrauen in die Zukunft eine ungeheuer große Rolle. Neben dem Rechenstift ist in der Wirtschaft die Psychologie das zweite entscheidende Kriterium. Sowohl Konsumenten- als auch Investititionsverhalten hängt sehr stark von der Frage ab: Habe ich Vertrauen in die Zukunft?

Man kann eine Wirtschaft nicht gesund beten, aber krank jammern kann man sie schon. Wenn ich als Konsument ständig Negatives höre, werde ich mich zurückhalten. Und auch der Unternehmer investiert dann nicht, sondern wartet noch zu. Das Schlimmste, was in dieser Situation passieren kann ist, die Wirtschaft krank zu jammern.

die furche: Und das passiert Ihrer Meinung nach von jenen, die das Wort Rezession im Mund führen ...

Stummvoll: ... um politisches Kleingeld zu wechseln. Ich habe manchmal den Eindruck, die Opposition würde sich freuen, wenn es wirklich zu einer Rezession käme, und ihre düsteren Prognosen auch aufgehen.

die furche: Als erste Antwort auf den Wirtschaftsabschwung hat der Bundeskanzler einen Konjunkturgipfel initiiert. Was soll da herauskommen?

Stummvoll: Ich erwarte mir zuvorderst ein psychologisches Signal. Es wird gezeigt, die Regierung nimmt sich dieses Themas an, zeigt Kompetenz und setzt Impulse.

die furche: Neben der Psychologie. In welche Bereiche soll die Regierung jetzt investieren?

Stummvoll: Besonders wichtig wäre mir, dass nicht nur einige Großprojekte vorgezogen werden, wo nur ein paar große Firmen zum Zug kommen. Das ist sicher auch in Ordnung, noch wichtiger wäre aber, Anreize für die große Zahl der Klein- und Mittelbetriebe - zum Beispiel in den Bereichen Hauserneuerung oder Energiesparen - zu setzen.

die furche: Soll der Investitionsfreibetrag wieder eingeführt werden?

Stummvoll: Nicht auf Dauer, aber über eine befristete Einführung des Investitionsfreibetrags sollte man jetzt sicherlich wieder diskutieren.

die furche: Konjunkturbelebende Maßnahmen werden Geld kosten. Wird die Regierung dafür ihre Nulldefizit-Politik aufgeben?

Stummvoll: Es wäre völlig falsch unser Ziel, keine neue Schulden zu machen, wieder aufzugeben. Damit würden wir nur einen Rückfall in die alte Schuldenpolitik erleiden. Was jetzt Not tut ist, sehr budgetschonend ein Konjunkturprogramm zu schnüren.

die furche: Hängen Sie damit nicht einem Nulldefizit-Fetischismus an?

Stummvoll: Das hat mit Fetischismus überhaupt nichts zu tun. Nulldefizit ist ja nicht das einzige Ziel. Das Ziel dieser Regierung ist ein strategisches Dreieck mit den Eckpunkten: Modernisierung des Staates - Entlastung des Bürgers - Investition in die Zukunft. Dazu brauche ich aber eine solide Basis. Diese Basis lautet: Ich muss einmal ohne neue Schulden beginnen. Natürlich wäre es völlig unsinnig zu sagen, es muss jedes Jahr unterm Strich Null-Komma-Null herauskommen. Was wir wollen, ist ein ausgeglichenes Budget: In Hochkonjunktur-Zeiten Überschüsse, um bei Wachstumsrückgängen vom Budget her Impulse setzen zu können.

die furche: Haben wir es derzeit mit einer gewöhnlichen konjunkturellen Schwächephase zu tun, oder schlittern wir in eine Dauerkrise?

Stummvoll: Ich will nicht von Dauerkrise sprechen, aber richtig ist, dass dieses Mal die USA, Japan und Europa einen Wachstumsrückgang erleiden. Alle Wirtschaftsforscher sagen, sie erwarten den Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 2002. Mit der Industriellenvereinigung vertrete ich deswegen die Auffassung, dass wir es mit einer weltweiten Konjunkturdelle zu tun haben. Und der Aufschwung, der für Ende dieses, Anfang nächsten Jahres erwartet wurde, ist durch die Ereignisse des 11. September um rund zwei Monate verschoben worden.

die furche: Stichwort: Steuerreform; Wie lange soll es noch bei der höchsten Steuerabgabenquote bleiben?

Stummvoll: Es wäre sinnlos - so wie 1999 der Fall - eine Steuersenkung zu beschließen, die man dann mit Schulden finanzieren muss. Die Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2010 unter 40 Prozent Steuerabgabenquote zu kommen. Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben und dazu muss zweifellos in der nächsten Periode ein erster, entscheidender Schritt gesetzt werden.

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