Die wohnungsschnuppernde Literatin

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Auf die reine Beobachterrolle kann sich das Regieduo "Böller und Brot" kaum zurückziehen, wenn es um Sibylle Berg geht. Die so gefeierte wie polarisierende Schriftstellerin, Theaterautorin und u.a. Spiegel-Kolumnistin verwickelt die Filmemacherinnen, die sie porträtieren wollen, regelmäßig in ein Zwiegespräch - eine Herausforderung, die sich der Dokumentarfilm "Wer hat Angst vor Sibylle Berg?" zu eigen macht. Dieser Dialog zeigt z. B. Wissbegierigkeit, wenn eines der unzähligen Interessen der Deutschschweizerin geweckt ist. Dann wird unvermittelt eine Wette darüber abgeschlossen, welche Pflanze das gerade am Wegrand sei, macht Berg ihre soziale Mediengemeinde live zum Schiedsrichter.

Im selben Moment schwingt das Prüfende mit, etwa in der Frage, was sich Sigrun Köhler und Wiltrud Baier denn mit ihrem ellenlangen Interview vorstellten. Die Vorsicht der öffentlichen Person, die sich aufgrund zwiespältiger Erfahrungen um die Kontrolle des eigenen Bilds sorgt, ist das eine. Das andere ist die Ungezwungenheit, mit der die "mittelständische Unternehmerin" Berg in sicheren Gebieten agiert. Unverblümt und selbstironisch, manchmal bis ins Selbstzerfleischende, scherzt sie über sich und die Kunst, legt Steckenpferde offen, verteilt nett gemeinte Beleidigungen und lässt dunkle bis morbide Gedanken durchdringen.

Im nächsten Moment stellt sie schon ihre artistische Gelenkigkeit unter Beweis oder sitzt im Park auf der Kinderschaukel - nur eben zusammen mit einer Prominenten, dem Literatur-Nachwuchsstar Helene Hegemann. Es ist ein Mosaik, das sich auf dieser Reise zusammensetzt. Einmal greift es ein Steinchen aus Sibylle Bergs stationenreicher Biografie auf, einmal ihre Arbeit und Sicht der Dinge, manchmal auch die Wirkung auf unmittelbar mit ihr Befasste wie ihre Studentinnen. Zudem wird dieser unaufgeregte Film zum Begleiter auf einem Streifzug, beim Wohnungsschnuppern. Wobei auch das Problem, das Berg mit den besichtigten Häusern hat, nicht mit nur einer Lesart auskommen kann: "da wohnen schon andere Leute drin".

Wer hat Angst vor Sibylle Berg?

D 2015. Regie: Sigrun Köhler, Wiltrud Baier. Polyfilm. 84 Min.

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