Die Worte zurückstehlen

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ROMANVERFILMUNG I: Brian Percival hat mit Markus Zusaks "Die Bücherdiebin“ einen Roman verfilmt, in dem der Tod erzählt: eine Geschichte über Menschlichkeit und Courage.

"Über Einzelschicksale im Zweiten Weltkrieg sind viele Jugendromane geschrieben worden, aber erzählerisch reicht keiner an dieses Buch heran. Er hält mühelos die Waage zwischen Leichtigkeit und bitterem Ernst, Angst, Hass und Humor mitten im Wahnsinn des Naziregimes und trägt den Leser durch das Leben Liesels.“ So begründete die Jury ihre Entscheidung, Markus Zusaks Roman "Die Bücherdiebin“ mit dem Preis der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises 2009 auszuzeichnen. 2005 war der Roman in Australien erschienen, in den Jahren danach stürmte er weltweit die Bestsellerlisten. Auf dem deutschen Buchmarkt kam er 2008 in zwei verschiedenen textgleichen Ausgaben an: eine für Erwachsene, eine für Kinder.

Eine Eigenart der kunstvollen Erzählweise zeigt sich schon auf der ersten Seite: Hier spricht der Tod. Allerdings nicht als bedrohender Sensenmann, sondern als einer, der sogar Anteil nehmen kann, zum Beispiel am Leben von Liesel, der "Bücherdiebin“. Der Film setzt denn auch mit der Stimme Ben Beckers über den Wolken ein, keine kalte Stimme, sondern durchaus warm und mitfühlend, wenngleich der Tod keinen Zweifel lassen wird an der Tatsache, dass Hitler ihm besonders viel Arbeit verschafft hat. Unten auf Erden fährt ein Zug, darin sitzt Liesel Meminger: In den Armen ihrer Mutter der Bruder ist tot - und wird im Nirgendwo der weißen Winterlandschaft beerdigt. Da fällt ein Buch zu Boden, und Liesel nimmt es mit. Es wird das erste gestohlene und gelesene Buch sein: das "Handbuch für Totengräber“.

Die Kraft von Worten

Nur das Wort "Kommunist“ wird von der Mutter bleiben, Liesel landet bei Pflegeeltern. Die neue Mutter (Emily Watson) wird Liesel als Saumensch beschimpfen (und trotzdem lieb gewinnen), der Vater (Oscar-Preisträger Geoffrey Rush) wird sie mit seinem Akkordeon aufheitern, ihr das Lesen beibringen und im Keller mit Tafeln und Kreide eine Schreibwerkstatt einrichten, wo Liesel dann Wörter an die Wand malt, während draußen Menschen verraten und abgeholt werden. Und dann ist da auch noch Max, den die Hubermanns im Keller verstecken. Liesel wird auch an ihm die Kraft von Worten üben: Sie hilft ihm zu überleben, indem sie ihm vorliest - und erzählt, wie die Sonne aussieht und wie sich der Schnee anfühlt. Der Film, der Alt und Jung gleichmaßen anregen will, über Menschlichkeit und Courage nachzudenken - wobei das nicht ganz ohne Klischees abgeht -, träumt den Traum der positiven Kraft von Büchern: Das Lesen (später auch all der aus der Bürgermeistervilla entwendeten Bücher) macht aus Liesel einen eigenständig denkenden Menschen, der beginnt, Hitler zu hassen. Das große Morden, das in KZs, Schützengräben und Folterkammern stattfindet, wird nicht gezeigt. Auch das Geschehen in der Bombennacht wird nur sanft aus der Sicht des Todes erzählt, der an den Betten jener vorbeigeht, deren Seelen sich nun in seine Arme rollen.

Hitler hat auch mit Worten zerstört. Liesel stiehlt sich die Worte zurück und schreibt mit ihnen ihre eigene Geschichte. Zusaks Grundgedanke bringt Brian Percivals Film ins Bild: So sieht man Max im Keller mit dickem Pinsel Hitlers "Mein Kampf“ weiß übermalen, sodass ein Notizbuch für Liesel entsteht, das sie in hebräischen Buchstaben auffordert zu schreiben: zu leben.

Die Bücherdiebin (The Book Thief) USA/D 2013. Regie: Brian Percival. Mit Geoffrey Rush, Emily Watson. Centfox. 131 Min.

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