Die zauberhafte Welt des Herrn Jedermann

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Als eine fantastische Märchenreise, charmant, harmlos und etwas kitschig, so präsentiert sich die gelungene "Jedermann"-Inszenierung.

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Als eine fantastische Märchenreise, charmant, harmlos und etwas kitschig, so präsentiert sich die gelungene "Jedermann"-Inszenierung.

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Jedermann beschert Salzburg immer wieder aufs Neue ein Sommermärchen. Auch wenn der diesjährige Festspielauftakt vom Streit über den vorzeitigen Ausstieg Alexander Pereiras und der letzten Rechnungshofprüfung überschattet ist, sorgt die Premiere des naiven Bekehrungsspiels zumindest kurzfristig für frisches Medienecho. Allein die Aufregung um das Kleid der neuen Buhlschaft vermag bereits die kritischen Stimmen zur Führungskrise übertönen und der Jedermann-Darsteller macht sowieso als Everbody's Darling den ganzen Sommer lang Schlagzeilen. Dabei ist die Geschichte selbst recht simpel: das Leben und Sterben eines reichen Mannes, der in seiner letzten Stunde dem Teufel ein Schnippchen schlägt und geläutert gen Himmel fährt.

Diesmal ist es an Cornelius Obonya den Titelhelden zu spielen, und der Burgschauspieler, mit fest in der österreichischen Theaterlandschaft verankerten familiären Wurzeln - Großvater Attila Hörbiger war Max Reinhardts Rollenidealspieler des zaudernden Lebemannes, Tante Christiane Hörbiger als Buhlschaft in den Jahren 1969 bis 1972 an der Seite von Ernst Schröder gefeiert - ist dieser Aufgabe durchaus gewachsen.

Dass Obonya eine Idealbesetzung ist, damit war freilich nicht zu rechnen. Dank einer meisterhaften Inszenierung von Brian Mertes und Julian Crouch passt der unscheinbare Wiener aber optimal in diese Rolle. Denn das amerikanisch-britische Regieduo macht Schluss mit den prätentiösen Inszenierungen der letzten Dekaden. Hier zählen nicht mehr die bedeutungsschwangeren Gesten, nicht die schauspielerische Einzelleistung, sondern es ist ein freudvolluneitles Theaterfest, das sich jetzt in einer völlig neuen und doch historisch genau rekonstruierten Version dem begeisterten Festspielpublikum zeigt.

Bereits zum Auftakt, der ganz unter dem programmatischen Motto "Die Stadt als Bühne" steht, stellt sich das Ensemble vor. Als bunte Straßentheatertruppe ziehen sie am Domplatz ein, laut lachend und tanzend, bevor ein heller Lichtschein den fröhlichen Umzug unterbricht und der Tod von Gott den Auftrag erhält, Jedermann zu sich zu holen.

Reminiszenz an Erstinszenierung

Der neue Jedermann erinnert an Reinhardts erste Inszenierung der Dichtung Hugo von Hofmannsthals im Berliner Zirkus Schumann des Jahres 1911 und den darauffolgenden Aufführungen in Salzburg: einfache Mittel, ein fantastischer Bühnenraum, Musik- und Tanzeinlagen im Stil des Mittelalters. Crouch und Mertes verzichten jedoch auf stilistische Überhöhung und pathetische Zwischentöne, insgesamt tritt die Handlung in den Hintergrund, was zählt ist die rasche Abfolge von immer neuen bildgewaltigen Szenen. Dazu zaubert der Puppenspieler, Bühnenarrangeur und Kostümbildner Crouch (sein umjubelter Sommernachtstraum kam mit nicht mehr als 56 Rollen Klebeband aus) fabelhafte Wesen auf die Bühne, mit überdimensionalen Köpfen aus Pappmaché und burlesken Kostümen.

Überzeugende Regieeinfälle

Der erste Teil verläuft noch etwas langatmig, doch sobald die Jedermann-Rufer das Schicksal Obonyas besiegeln, wird das Publikum Szene für Szene tiefer in diese märchenhafte Theaterwelt hineingezogen. Vor allem der sonst oft abgeschmackte Auftritt der allegorischen Figuren gelingt hier auf naiv bezaubernde Weise. Mammon etwa ist eine fette Goldpuppe, aus der ein feixender Jürgen Tarrach entspringt. Die guten Werke steigen als dürres Püppchen mit dem Kopf von Sarah Viktoria Frick aus der Holzkiste, und auch sonst wird nicht mit neuen Ideen gespart. Gott ist ein Kind und der Tod ein guter Kerl im weißen Kleid. Peter Lohmeyer spielt ihn mit Hingabe und versteht es, sich in den verschiedenen Verkleidungen (einmal als Baum, einmal als Skelett) einen Lenz zu machen. Überzeugen können vor allem die spielerischen Regieeinfälle, Brigitte Hobmeier als Buhlschaft radelt im Sommerkleidchen auf die Bühne und zieht dort mit schwarzen Strapsen und cremefarbenem Schnürkorsett ihren Buhl in den Bann und unter das Tischtuch. Der Glaube (Hans Peter Hallwachs) sitzt auf einem Sessel hoch über der Bretterbühne, Engel werden mit Seilzügen zu ihm hinaufgezogen, und der empörte Teufel (Simon Schwarz) klettert flink empor. Raffinierte Licht-und Schattenspiele bringen die Zuschauer immer wieder zum Staunen. Crouch und Mertes ziehen geschickt alle Register für einen spektakulären Theaterabend und mischen mittelalterliche Bühnenelemente und Commedia dell'arte-Einflüsse mit Versatzstücken aus Varieté, Zirkus und Musical.

Von der gut besetzten Schauspielriege stechen vor allem Lohmeyer sowie Hobmeier heraus. Während der eine den androgynen Tod auf Plateauschuhen gibt und dabei nicht an Dramatik spart, ist die neue Buhlschaft eine verschmitzte Liebhaberin, die auch in ausladender Abendrobe Würde und Witz zu bewahren weiß. Obonya ist da wesentlich unauffälliger, einnehmend ist aber seine raumgreifende und ausdrucksstarke Stimme. Am Ende versammeln sich alle an Jedermanns Grab und schütten Erde über den armen Sünder. Nach dem tosenden Schlussapplaus zieht die Tischgesellschaft wieder von dannen.

Jedermann

Domplatz Salzburg

26., 31. Juli, 4., 5., 14., 15., 18., 21., 23., 28., 30. August

www.salzburgerfestspiele.at

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