Die Zeugen sind nur Nebendarsteller

19451960198020002020

75 Jahre nach dem November-Pogrom 1938 gestalteten Doron Rabinovici und Matthias Hartmann den Abend "Die letzten Zeugen" im Wiener Burgtheater. So wichtig der Gedanke hinter dem Projekt ist, hinterließ die Durchführung doch zwiespältige Gefühle.

19451960198020002020

75 Jahre nach dem November-Pogrom 1938 gestalteten Doron Rabinovici und Matthias Hartmann den Abend "Die letzten Zeugen" im Wiener Burgtheater. So wichtig der Gedanke hinter dem Projekt ist, hinterließ die Durchführung doch zwiespältige Gefühle.

Werbung
Werbung
Werbung

Sieben Zeitzeuginnen und Zeitzeugen - Lucia Heilman, Vilma Neuwirt, Suzanne-Lucienne Rabinovici, Ceija Stojka, Marko Feingold, Rudolf Gelbard sowie Ari Rath - kommen an diesem Abend zu Wort, und ihre Geschichte wird in Auszügen erzählt. Dabei geht es nicht nur um die Zeit zwischen 1938 und 1945, sondern ebenso um die Jahre nach dem Krieg und wie mit ihnen, den Überlebenden, im Nachkriegsösterreich sowohl seitens der Bevölkerung als auch der Republik umgegangen wurde. Denn auch nach 1945 kam es noch zu Schmähungen und Beschimpfungen. Auch wenn man solche Erzählungen schon oftmals gehört oder gelesen hat, so stockt einem immer wieder der Atem ob der Grausamkeiten, die diese Menschen erlebt haben.

Vorbereitete Statements

Erzählt werden die Geschichten allerdings nicht von den Betroffenen selbst, sondern gelesen von den Schauspielerinnen und Schauspielern Mavie Hörbiger, Dörte Lyssewski, Peter Knaack und Daniel Sträßer. Der Gedanke dahinter wird nicht klar, denn alle Zeitzeugen - bis auf die am 28. Jänner 2013 verstorbene Ceija Stojka - sind während des gesamten Abends auf der Bühne anwesend und dürfen auch ein kurzes Statement verlesen. Man bekommt den Eindruck, dass es Rabinovici und Hartmann um ein Theaterkonzept geht, in welches die Zeitzeugen dann doch nicht ganz hineinpassen. Diese sitzen also den gesamten Abend aufgereiht hinter zwei halbdurchsichtigen Leinwänden für Foto- und Videoprojektionen im Halbdunkel auf der Bühne und werden mittels Nahaufnahmen dem voyeuristischen Blick des Publikums ausgesetzt. Im Laufe des Abends werden sie von ihren jeweiligen "Stimmen" nach vorne geholt, dürfen ein kurzes vorbereitetes Statement abgeben und dann die Bühne verlassen.

Von den Schauspielern muss Dörte Lyssewski erwähnt werden, die die Texte am besten - mit der nötigen Ernsthaftigkeit aber sich nicht im Pathos verlierend - vorträgt; Daniel Sträßer scheitert an so manchen (wienerischen) Worten und nähert sich den Texten leider mit jugendlicher Flapsigkeit an. Manchmal hört man in Zuspielungen O-Töne der Zeitzeugen. Allerdings sind dies meistens Beschimpfungen, die sie von Tätern gehört haben, und man fragt sich, warum gerade diese Sätze ausgewählt wurden.

Notwendigkeit der Erinnerung

Nach dem gut zweistündigen Abend auf der Bühne verteilen sich die Zeitzeugen in den beiden Pausenfoyers sowie im Blauen Salon des Burgtheaters, und es finden moderierte Gespräche statt, bei denen das Publikum die Möglichkeit zu Fragen hat. Hier kommen sie nun wirklich selbst zu Wort -und man merkt, dass es geübte Sprecher sind; sie gehen schon seit Jahren zu Schülerinnen und Schülern aber auch Erwachsenen, um von ihren Erlebnissen während der NS-Zeit zu berichten und damit aufzurütteln.

Ein denkwürdiger Abend - das Publikum bedachte die Zeitzeugen mit Standing Ovations -, der von vielen Jugendlichen besucht war, und aufzeigt, dass darüber immer (nicht nur anlässlich von Gedenktagen) gesprochen werden muss: auch noch, wenn die "letzten Zeugen" einmal verstummt sind.

Die letzten Zeugen Burgtheater 10., 21. November

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung