"Dies alles - hab' ich nun geträumt?"

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Bayreuth 2008: Führungswechsel und ein umstrittener "Parsifal".

Seine Frist ist um! Es sind seine letzten Spiele: Ende August, mit 89 Jahren tritt Wolfgang Wagner ab. Seit 1951(!) hat der Enkel von Richard Wagner die Geschicke der Bayreuther Festspiele gelenkt, vorerst gemeinsam mit seinem Bruder Wieland, nach dessen Tod 1966 allein. Nachdem in den letzten Jahren immer wieder Stimmen laut wurden, Bayreuth wirke müde und sei nicht auf der Höhe der Wagner-Rezeption, gibt er die Führung im Haus am Grünen Hügel ab. Vom Stiftungsrat wird im Herbst eine neue Doppelspitze mit den beiden Töchtern Wolfgangs, Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner, bestimmt werden, wobei sich letztere hier 2007 mit ihrer - wenngleich heftig gescholtenen - ersten Inszenierung der "Meistersinger" als ernstzunehmende Regisseurin etablieren konnte.

Trotzdem erscheint fraglich, ob mit einer massiven Erneuerung des Festivals zu rechnen ist. Es steht wohl die Öffnung für Werke anderer Komponisten in Diskussion, aber wahrscheinlich werden wohl auch in Zukunft wie bisher ausschließlich die sieben großen Werke des Meisters aufgeführt werden. Zumindest verdankt sich die erstmalige Übertragung der "Meistersinger" auf eine Leinwand, die von 15.000 Fans im Freien ohne Dresscode konsumiert werden konnte, Katharinas Einfluss. Auch die Einladung von "Regieberserkern" wie Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief, Tankred Torst in den letzten Jahren geht auf ihr Konto.

In Fortsetzung dieser Linie wurde die diesjährige Neuinszenierung von "Parsifal" ebenfalls einem "Unangepassten" anvertraut, nämlich Stefan Herheim, der mit seiner Regie von Mozarts "Entführung" 2003 bei den Salzburger Festspielen verstörte.

"Dies alles - hab' ich nun geträumt?": Ausgehend von diesem Zitat zeigt der Norweger kein "Bühnenweihspiel", sondern eine bilderdurchflutete, (alb)traumhafte Reise durch die deutsche Geschichte vom wilhelminischen Preußentum über das Dritte Reich bis zum deutschen Bundestag. Dabei wird die auf die Bühne gestellte Villa Wahnfried zum Traumraum, der wachsen, schrumpfen oder sich anderweitig verändern kann.

Brillant sind Bühnenbild (Heike Scheele) und Bühnentechnik. Gemeinsam mit dem handwerklich perfekten Regisseur, der sich auch als Meister im Arrangieren von mehrdeutigen Personenkonstellationen erweist, und dem magischen Lichtdesign entstehen starke, suggestive Bilder. Nur: Fantasienreichtum und Bilderflut inklusive Videoprojektionen überfordern den Zuschauer, für den vieles rätselhaft bleibt.

Musikalisch bleibt der Abend lang und langsam in Erinnerung, denn Daniele Gatti konnte bei seinem Bayreuth-Debüt nur teilweise überzeugen: Sehr breit, teils sogar zerdehnt, mehr auf farbigen Schönklang und Weichzeichnung denn auf Markanz bedacht, ist sein Dirigat. Unterschiedlich erlebt man die Sänger: Mihoko Fujimura ist eine unerotische, wenig verständliche, teils schrille Kundry. Kwangchul Youn singt einen wortdeutlichen, weich timbrierten Gurnemanz. Detlef Roth leidet als Amfortas intensiv und sieht mit seiner Dornenkrone wie ein Christusverschnitt aus. Thomas Jesatko ist ein präsenter Klingsor, der als Marlene-Dietrich-Parodie in Strapsen und Frack auftritt. Christopher Ventris als liedhaft intonierender Titelheld im Matrosenanzug phrasiert wunderbar.

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