Diese ganz verflixte Zukunft

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"Das Leben passiert zwischen den Zeiten, in denen wir online sind.“ Miranda July zeichnet in "The Future“ ein Bild ihrer Generation: Mittdreißiger, die schon mit dem Web, aber noch nicht mit den Social Media aufgewachsen sind.

Die Künstlerin Miranda July schreibt Bücher, macht Performances und hat mit "The Future“ ihren zweiten Film gedreht. Ein Gespräch über das Internet und das Erwachsenwerden.

Die Furche: Das Internet und unser Umgang damit ist ein wesentlicher Teil in "The Future“. Sie schreiben selbst auf Twitter und Facebook. Wie beeinflusst Sie das als Künstlerin und als Privatperson?

Miranda July: Ich bin ja nicht mehr in meinen Zwanzigern, insofern nehme ich daran nicht so konsequent teil wie andere. Wenn ich einmal einen Tweet schreibe, kommt mir schon vor, das sei genug für die ganze Woche. Und wenn ich was auf Facebook schreibe, lese ich es dreimal Korrektur. Ich gehöre zu der Generation, die schon einige Jahre des Erwachsenseins ohne das Internet in seiner Allgegenwart erlebt haben, und ich habe auch Kunst gemacht, ohne davon ständig begleitet worden zu sein. Ich sehe es als Teil des Berufs, mein Publikum aufzubauen, ich erwarte nicht, dass das einfach durch Zauberei passiert, und dafür ist das Internet sehr nützlich. Aber umgekehrt brauche ich auch die Zeit, ohne Ablenkungen nachdenken zu können, und das ist online sehr schwierig zu bekommen.

Die Furche: Ist der digitale Exhibitionismus, den manche online pflegen, reizvoll für Sie?

July: Ich habe das ja ganz offensichtlich in mir, ich setze mich selbst einer Öffentlichkeit aus. Aber es wäre mir zu peinlich, die Leute um Aufmerksamkeit zu bitten, wenn ich nicht wirklich hart gearbeitet hätte für etwas, das dieser Aufmerksamkeit auch würdig ist. Viele haben heute aber eine niedrigere Schwelle, um Beachtung einzufordern, Youtube und Konsorten haben das Tabu fallen lassen - und das schien mir ein nützliches Bild für diesen Film.

Die Furche: Wie ist der Zusammenhang zwischen den Beziehungen, die Sie beschreiben, und der virtuellen Realität?

July: Wenn man ein zeitgenössisches Mitte-30-Paar porträtieren will, das in Los Angeles lebt, und die beiden sind nicht auch online, zumindest zu Beginn - das wäre einfach nicht realistisch. Und damit etwas passieren kann, müssen sie sich dazu entschließen, offline zu gehen, denn sonst müssten sie ja den ganzen Film lang ständig ihre E-Mails checken. Ich glaube, das Leben passiert zwischen den Zeiten, die wir online sind. Und ich wollte ja vom Leben erzählen.

Die Furche: Der Film ist doch auch ein Film über Ihre Generation. Was ist das Besondere daran?

July: Ein Aspekt ist sicherlich, dass wir erst relativ spät Kinder bekommen. Wir erleben dieses Alter also komplett anders als unsere Eltern. Zum ersten Mal bleibt Raum für die Frage: Was will ich wirklich mit meinem Leben anfangen? Meine Eltern haben sich diese Frage nicht so stellen können, weil sie in meinem Alter zwei Kinder hatten und es darum ging, wie sie Geld für eine Familie verdienen konnten. Was aber vielleicht danach aussieht, als wären wir verloren oder irgendwie wischiwaschi, das ist in Wirklichkeit ein dramatischer Schritt, vor allem für Frauen. Es wäre zu einfach, zu sagen, dass es keine wirklichen Hindernisse mehr gibt für diese Wischiwaschi-Mittdreißiger.

Die Furche: Ihre Figur sagt im Film so etwas wie "Beobachtet werden nimmt einem die Last des Lebens“, und will umsorgt werden wie ein Kind. Das wirkt wie ein Bild für die Sehnsucht nach einem Gott.

July: Die Sehnsucht nach einem Gott kann durchaus damit zu tun haben, eine Mutter oder einen Vater zu wollen, jemanden, der alles sieht und alles verzeiht, jemanden, für den man brav sein kann, und der für einen sorgen wird. Viele von uns haben dieses Bedürfnis ein Leben lang. Es ist nur so, dass man an einem bestimmten Punkt aufhört, sich tatsächlich darum zu bemühen, dass einen jemand rettet, weil es einfach nicht passieren wird, wenn wir ehrlich sind.

Die Furche: Sie arbeiten ja in den unterschiedlichsten Kunstrichtungen.

July: Ich bin sehr streng zu mir selbst, ich bin fürchterlich selbstkritisch. Aber wenn ich Dinge schaffe und Ideen habe, erlaube ich mir selbst eine Pause und lasse mich frei sein vom ständigen beurteilen Müssen. Denn natürlich braucht man diese Freiheit, um mit einer neuen Idee einmal irgendwo hinzukommen. Ich würde mich selbst komplett aufreiben, wenn ich nicht Kunst machen würde. Das betrifft also mein gesundheitliches Wohlbefinden. Außerdem ist der kreative Prozess ungemein spannend und interessant für mich. Ich bin ja in jeder dieser Disziplinen immer noch eine Anfängerin.

The Future

D/USA 2011

Regie: Miranda July. Mit Miranda July, Hamish Linklater. Thimfilm.

91 Min. Ab 30.12.

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