Dieser Gluck macht nicht recht glücklich

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Auch eine exzellente Aufführung vermag nicht über die Schwächen eines Stücks hinwegzutäuschen, wie das Theater an der Wien mit Christoph Willibald Glucks "Telemaco“ zeigte.

Am 30. Jänner 1765 hatte Glucks "Il Telemaco ossia L’isola di Circe“ ("Telemach oder Die Insel der Circe“) im alten Wiener Burgtheater Premiere. Nur zwei Monate hatten der Komponist und sein Librettist Marco Coltellini Zeit für dieses Auftragswerk zur Vermählung von Kronprinz Joseph von Habsburg (dem späteren Kaiser Joseph II.) mit Maria Josepha von Bayern.

Als Stoff wurde eine frei gestaltete Episode aus der Odyssee gewählt: die Geschichte des Telemach, der von seiner Mutter Penelope ausgesandt wurde, seinen Vater Ulisse zu suchen. Er kommt mit dem Merione, dem Sohn des Kreterkönigs Idomeneo, in das Reich der Circe. Sie hält Ulisse auf ihrer Insel fest, versucht ihn zu betören, hat seine Krieger in einen Wald verzaubert. Telemach hat sich in Meriones Schwester Asteria, die Circe schon als Kind entführt hatte, verliebt. Das Orakel weissagt Circes Verdammung. Dem Happy End steht nichts mehr im Wege: Telemach kann mit Vater, Braut und Freund die Heimreise antreten, noch ehe Circe wutentbrannt durch die Lüfte entschwindet. Lieblichkeit zieht wieder auf Circes Insel ein. So die Idee für das Schlussballett, das von Gluck aber nicht ausgeführt wurde.

Kein packendes Finale

Ein Zeichen, dass der Komponist mit dem Sujet nicht zufrieden war, weil er seine Idee von einer Oper, die darauf abzielt, das auf die Bühne gestellte Drama schnörkellos und spannend darzustellen, nur zum Teil realisieren konnte? Jedenfalls ist der erste der beiden Akte ungleich spannender, im Detail ausgefeilter. Auch wer ein packendes Finale erwartet,wird enttäuscht - trotz des Versuchs, mit einer Apotheose zu enden und damit den Ehegatten eine glückliche Zukunft vorherzusagen.

Verständlich, dass Regisseur Torsten Fischer dieser nur aus der Entstehungsgeschichte erklärbaren, aufgesetzt wirkenden Finalpointe misstraut. Er schlüsselt das Stück als modernes Beziehungsdrama auf, zieht aus dieser Deutung den Schluss, dass am Ende nicht Harmonie steht sondern zerrüttete Beziehungen. Der grundsätzliche Schwarz-Weiß-Charakter des Stücks als Ausdruck sich schlagartig ändernder Situationen und Gefühle - wie dies auch in den Kostümen von Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer zum Ausdruck kommt - bleibt unangetastet. Raffiniert auch ihr Bühnenbild: eine immer wieder in die Höhe gezogene schiefe Ebene, die zwei gleichzeitige Spielflächen offeriert, darüber ein überdimensionaler Spiegel, was eine Vielzahl ebenso ästhetischer wie beredter Bilder garantiert, da sich in ihnen Fischers ausgeklügelte Personenführung widerspiegelt.

Die Protagonisten werden angeführt vom stets mit Hochdruck an der Spitze seiner präzisen Akademie für Alte Musik agierenden René Jacobs und dem ideal ins Geschehen eingebundenen, von Jordi Casals und Ottokar Prochazka bestens vorbereiteten Arnold Schoenberg Chor. Dazu kommen die nur am Ende mit nicht immer passender schriller Höhe aufwartende, intensive Alexandrina Pendatchanska als Circe, der auch darstellerisch gewohnt vorzügliche Bejun Mehta als Telemaco sowie Rainer Trost als vokal weniger überzeugender Ulisse, Valentina Farcas als untadelige Asteria, Anett Fritsch als makelloser Merione, Anna Franziska Srna als artikulationsklare Penelope/Oracolo.

Gluck in Zeitnot?

Besser, stimmiger lässt sich dieser Gluck nicht besetzen. Was immer man im Detail gegen so manche Idee Torsten Fischers vorbringen kann: Er hat sich viel überlegt, um diesen Stoff in die aktuelle Gegenwart zu übersetzen, ohne Tonfall und Intentionen Glucks zu konterkarieren. Interessant bleibt dieser dreistündige Abend trotzdem nur bis zur Pause. Dann bricht die Spannung, wirkt die Musik redundant. Selbst das spritzige Dirigat vermochte weder Unmittelbarkeit noch Originalität herbeizuzaubern.

War Gluck die Vorbereitungszeit für seinen "Telemaco“ zu knapp? Hat er deshalb zu Beginn und in der großen Arie der Circe Anleihen bei Bach genommen? Retten konnte er das Stück ebenso wenig wie Fischer und Jacobs mit ihrem kundigen interpretatorischen Enthusiasmus. Offen bleibt, was sie getrieben hat, sich gerade für diesen Gluck zu engagieren, da hätten andere seiner Opern mehr zu bieten …

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24., 27., 29. Februar, 2. März

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