"Dieser ihr Zustand ist Angst …“

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Als das "Credo“ des estnischen Komponisten Arvo Pärt 1968 in Tallinn uraufgeführt wurde, kam es zum Skandal. "Credo in Jesum Christum“, das bedeutete im damals sowjetisch besetzten Estland eine Provokation gegen die Macht des Staatsatheismus. Vor allem die Botschaft der Bergpredigt, sich im Widerstand gegen das Böse nicht zu verlieren, war ein Affront. Folge der Aufführung war Musikverbot für Pärt und den Dirigenten Neeme Järvi.

Pärts "Credo“ mit seinem zentralen Zitat von Bachs C-Dur-Präludium ist in der Innsbrucker Dogana in wunderbarer Intensität von 160 Jugendlichen aufgeführt worden. Ein berührender, symbolträchtiger Auftakt zum Konzertprogramm des 24. Osterfestivals Tirol unter dem Motto "Macht.frei / leben“. Wieder geht es bei diesem Frühlingsfestspiel der Galerie St. Barbara in Innsbruck und Hall um wesentliche Fragen und Aspekte der Zeit. Im Vorwort zum Osterfestival-Magazin wird Ernst Bloch zitiert: "Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht warum und von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter, so ist er Furcht.“

Es ist ein Festival der Vielfalt, strukturiert durch die traditionellen Schwerpunkte der Galerie St. Barbara: Alte Musik, Neue Musik, außereuropäische Musik und Tanz, ergänzt durch eine Filmreihe, Performance, Lesung, Gespräch und heuer auch Puppenspiel. Beginnend schon im Vorfeld und begleitend bis zum Ende am Ostersonntag sind "21 ORTE“ jeweils um 15 Uhr Schauplätze kleiner Ereignisse, von Gesten, Klängen, Worten und Resonanzen im Strom des Täglichen. Heuer sind diese Aktionen dem Gedenken an den Komponisten John Cage (1912-1992) gewidmet, der vor zwanzig Jahren - wie auch Steve Reich, Michael Nyman, Friedrich Cerha, Dieter Schnebel, Karlheinz Stockhausen, György Ligeti, Klaus Huber und andere - bei der Galerie St. Barbara in Hall/Tirol zu erleben war.

Wille zu Freiheit und Ordnung

Nun ist Klaus Huber wieder gekommen, einer der bedeutenden Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts, der sich auch den Problemen Armut, Verfolgung, Ausbeutung stellt. Er regt zu sozialem Denken und Handeln an. Musikalisch beschäftigt er sich mit anderen Kulturen, bezieht deren Instrumentarium und Tonsysteme in seine Arbeiten ein. Beim laufenden Osterfestival ist seine Musik neben Haas, Rihm u. a. noch im Konzert des ensemble recherche vertreten. Neben Huber, Jordi Savalls musikalischer Inszenierung von Macht und Glaube ("Die Borgia“) und Bachs Johannespassion entfaltet sich der Wille zu Freiheit und Ordnung auch in traditioneller klassischer Musik des Iran und aus Afghanistan. Vorklassische Passions- und Trauermusiken gibt es am Gründonnerstag und Karsamstag. Den großen Tanzschwerpunkt bestreiten bis zum Finale noch Ensembles aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien.

www.osterfestival.at

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