Dieser Tempel der Heiligen Familie

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"Sagrada“: Der Schweizer Dokumentarfilmer Stefan Haupt setzt der Sagrada Familia ein filmisches Denkmal. Barcelonas Kirchenmonument ist längst nicht fertig - hat aber schon viele Geschichten zu erzählen.

Das Ende war alles andere als ruhmreich oder standesgemäß. Eine Straßenbahn verletzte ihn am Morgen des 7. Juni 1926 schwer, und weil man ihn für einen Bettler hielt, wurde er in ein Armenspitel gebracht, wo ihn sein langjähriger Assistent Doménech Sugranyes erst im Lauf des TAges aufspürte. Drei Tage später verstarb Antoni Gaudí, beinahe 74 Jahre alt und das unfertigste Monument der Architekturgeschichte hinterlassend: Bis heute ist die Sagrada Familia, das Wahrzeichen der katalanischen Metropole Barcelona, unvollendet geblieben. 2026, zum 100. Todestag Gaudís, soll der Bau abgeschlossen sein, lautet der - derzeitige - Zeitplan.

Vor 131 Jahren begonnen

Aber angesichts der Tatsache, dass Terminvorgaben in der bislang 131-jährigen Baugeschichte der Riesenkirche immer Makulatur waren, muss man auch diesen Zeitpunkt nicht für bare Münze nehmen. 2010 wurde die Kirche zwar von keinem Geringeren als Papst Benedikt XVI. eingeweiht. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie auch tatsächlich vollendet ist. Im Gegenteil.

Der Schweizer Dokumentarfilmer Stefan Haupt hat mit "Sagrada. Das Wunder der Schöpfung“ diese unendliche Geschichte eindrücklich nacherzählt und in vielen Facetten grandios fürs Kino aufbereitet. Jeder Barcelona-Besucher kann in diesen 93 Minuten seine Erinnerung auffrischen (auch dahingehend, wie das Werden des steinerenen Zeugen dann weiterging). Und für Unkundige dieser Stadt hält der Film jedenfalls die - richtige - Impression bereit, welch schweres Versäumnis es ist, Barcelona und sein Wahrzeichen nicht zu kennen. Obwohl die Zukunftsaussichten nicht nur rosig scheinen: Unsereiner hat ja das unfertige Bauwerk mit den schlanken Türmen und einem Hauch Neugotik im Sinn, wenn er an die Sagrada Familia denkt. Sollte das sakrale Projekt aber tatsächlich fertig werden, dann trumpft es mit dem welthöchsten Kirchturm auf, der dann das Bauwerk viel mehr dominieren wird, als es dem heutigen Besucher lieb sein kann.

"Sagrada“, der Dokumentarfilm dringt mit der Kamera in stille Winkel und lichte Höhen vor. Die räumlichen Anmutungen fasst der Film genial ins Auge, die Philosophie, der religiöse Humus, auf dem der Architektur-Wahnsinn wächst, sind faszinierend.

Stefan Haupt hat eine Reihe von kompetenten Zeugen für seine Darstellung gewonnen. Allen voran Conxita und Ramon Sugranyes, die hochbetagten Kinder von Doménech Sugranyes, dem Assistenten von Gaudí. Dazu Jordi Bonet, den Chefarchitekten der Kirche, und den japanischen Bildhauer Etsuro Sotoo, der sich als bildhauerischer Vollender der Ideen Gaudís versteht. Auch Jaume Torreguitart, einer der Poliere, erzählt von der Sagrada Familia, seiner beruflichen Lebensaufgabe.

Was bleibt von Antoni Gaudí?

Wie kann ein Bauwerk, dessen Schöpfer schon mehr als 80 Jahre tot ist und von dem praktisch keine Pläne mehr vorhanden sind, weil diese samt seiner Modelle in den Bürgerkriegswirren zwischen 1936 und 1939 zerstört wurden, zu ende gebaut werden? Das ist die eigentlich spannende und kontrovers diskutierte Frage, die auch der Film subtil und gleichzeitig klar aufnimmt.

Die so genannte Geburtsfassade konnte noch einigermaßen Gaudí-like fertiggestellt werden, bei der Passionsfassade, die der im Stil zu Gaudí fast konträre Bildhauer Josep Maria Subirach gestaltete hat, scheiden sich die Geister. Subirach kommt im Film ebenso zu Wort wie der 2010 verstorbene Religionsphilosoph Raimon Panikkar, der bei Barcelona lebte. Dazu Architekten und Kunsthistoriker wie auch David Mackay, der vieles, wie aus der Idee Gaudís dann Wirklichkeit wird, kritisiert.

Die heutigen am Bau beteiligten Architekten entgegnen dem, Gaudí wusste selber, dass sein begonnenes Werk von anderen und dann natürlich nicht mehr nach seinen Vorstellungen vollendet werden würde. Nachdem es jahrzehntelang so aussah, als ob die Sagrada Familia eine Ruine bleiben würde, scheint heute die Fertigstellung im Wesentlichen gesichert - auch wenn es noch 13 Jahre dauern soll.

Schließlich ist die Sagrada Familia auch ein Monument katalanischer Identität. Dass im Film "Sagrada“ dann auch einer der größten Söhne der Region, Jordi Savall, die h-moll-Messe von Johann Sebastian Bach leitet, ist da nur folgerichtig.

Sagrada - Das Wunder der Schöpfung

CH 2012.

Regie: Stefan Haupt.

Filmladen. 93 Min.

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