#Dieses Elend hat jetzt ein Ende#

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Wieland Wagner gehörte zu den innovativsten Künstlern seiner Zeit. Seine Inszenierungen wurden aber kaum dokumentiert. Ein neues Buch schafft nun Abhilfe und bringt neue Erkenntnisse über die Bayreuther Musiktheater-Geschichte.

Er versuchte nach der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten Richard Wagners Werk zu rehabilitieren und dem Musiktheater die Würde zurückzugeben: Von 1951 bis 1966 leitete Wieland Wagner gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang die Bayreuther Festspiele. Die Zeit seiner Tätigkeit repräsentiert die deutsche Nachkriegsgeschichte mit allem, was zu ihr gehört: restaurative Rückgriffe ebenso wie ästhetisch innovative Versuche der Neuorientierung.

Nach Wielands frühem Tod im Jahr 1966 wurden seine Inszenierungen sukzessive vom Spielplan genommen, was nicht weiter verwunderlich wäre, da sich Theater ständig verändert. Es wäre nun Aufgabe des Bruders gewesen, die Unterlagen zu Wielands Inszenierungen zu archivieren. Das jedoch geschah nicht und auf diese Weise starb Wieland einen #zweiten Tod#, meinte Nike Wagner, die Tochter Wielands, bei einer Buchpräsentation auf der Frankfurter Buchmesse. Denn mit der Dokumentation verschwand Wieland als Künstler, auch für die Forschung. #Dieses Elend hat jetzt einmal ein Ende#, sagte Nike Wagner, auf das Buch #Wieland Wagner. Wegbereiter und Weltwirkung# verweisend.

In jahrelangen akribischen Recherchen hat die Theaterwissenschaftlerin Ingrid Kapsamer nämlich trotz katastrophaler Forschungslage die theatergeschichtliche Bedeutung Wieland Wagners neu herausgearbeitet. Sie trotzte dabei auch der Schwierigkeit, hier mit einer Ikone des Theaterbetriebs ebenso zu tun zu haben wie mit Demontagen dieser Ikone, die in ihm nur den #Hitlergünstling# zeigen. Wieland Wagners Regiearbeit und Bühnenbild ist, das zeigen auch die Abbildungen im Buch, heute noch sensationell modern. Er erfand das Lichttheater, räumte die Bühne leer # aber mit einer leeren Bühne muss man umgehen können. Wieland wäre, erzählte Tochter Nike Wagner, Maler und Fotograf geworden, hätte es Bayreuth nicht gegeben. Er kannte den Umgang mit der Fläche. Was er erst lernen musste, war, Spannungen im Raum aufzubauen. Dabei half seine Frau, Gertrud Wagner, Mitregisseurin und Choreografin, die den Ausdruckstanz in die gemeinsame Arbeit einbrachte, der auch die Verbindung zum #kultischen# antiken Theater darstellte, das Wieland vorschwebte.

Neue Einsichten

Die Präsentationen der Verlagsgruppe Styria faszinierten durch die Gespräche dieser zwei Frauen: der Buchautorin und Nike Wagner. Eine junge Wissenschaftlerin, die Zeit und Umstände #nur# durch ihre Recherchen kennt, entdeckt der Tochter des Künstlers Einflüsse auf die Kunst des Vaters, von denen diese nichts wusste. Dabei war Nike Wagner, selbst Kulturwissenschaftlerin und Intendantin des #Kunstfest Weimar#, einst nach Wien gegangen (#Ich dachte, es hätte mit Bayreuth nichts zu tun.#) und hatte die Jahrhundertwende zu ihrem Forschungsgebiet auserkoren. Dass aber die Entwicklung ihres Vaters zum Raumkünstler gerade von Wien aus, durch die Tradition der Sezession stattgefunden hat, war Nike Wagner neu.

Im Buch der jungen Theaterwissenschaftlerin findet sie nun Zusammenhänge, die sie vorher nicht gesehen hatte; findet sie nun einiges erklärt, was sie wohl wusste, es aber nicht deuten konnte, etwa, dass der Werkstatt-Gedanke der Wiener Werkstatt die Arbeit ihres Vaters prägte. Dabei wäre sie am Anfang gar nicht so freundlich mit der Autorin umgegangen, erzählte Nike Wagner im Gespräch, sie wurde aber neugierig angesichts der erstaunlichen Fragen, die Ingrid Kapsamer ihr stellte. Für das Buch hat sie nun ein Vorwort geschrieben, das sich wie eine Ouvertüre liest. In den Gesprächen auf der Frankfurter Buchmesse lobte sie es sehr: Das Buch #quatscht nicht, es ist wunderbar fundiert.#

Dass Bayreuth, das von 1966 an fest in der Hand Wolfgang Wagners war, wegen dieses Buches nun einen anderen Kurs einschlagen wird, glaubt Nike Wagner nicht. Sie erhofft sich von diesem Buch aber neue Diskussionen. Es ist ein Buch, so Nike Wagner, #das Bayreuth in Auftrag hätte geben sollen, schon längst, aber spätestens seit Antritt der (neuen) Intendanz#.

Wieland Wagner

Wegbereiter und Weltwirkung. Von Ingrid Kapsamer. Mit einem Vorwort von Nike Wagner und einem Geleitwort von Wolfgang Greisenegger. Styria premium 2010. 411 S., geb., e 24,95

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