Dieses Jahr in Jerusalem

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Seit sechs Monaten ist eine schweizerisch-österreichische Theologengruppe zu Fuß unterwegs ins Heilige Land. Zu Weihnachten wird sie ankommen.

Christi Himmelfahrt war ein wolkenverhangener Junitag in der Innerschweiz. Mit einem feierlichen Sendungsgottesdienst wurden beim Dorf Edlibach im Kanton Zug zwei Männer und zwei Frauen verabschiedet, die zu einem großen Ziel aufbrachen: Jerusalem. Ihre Namen sind Christian Rutishauser (46), Jesuitenpater und Bildungsleiter, Hildegard Aepli (48), geistliche Begleiterin und Exerzitienleiterin, Esther Rüthemann (39), Pastoralassistentin, sowie Franz Mali (51), Priester und Universitätsprofessor, gebürtig aus der Steiermark.

Als sich die Pilger auf den Weg machten, begleitete sie eine Schar von Angehörigen und Unterstützern noch bis zum ersten Etappenziel im Wallfahrtsort Einsiedeln. Eine kleinere Gruppe folgte ihnen bis zum Ende der ersten Woche, als sie die Grenze nach Italien überschritten. Seither ist das Quartett meistens allein unterwegs.

So durchquerten die drei Schweizer und der Österreicher die Alpen und den Balkan, Anatolien und den Nahen Osten, in Tagesmärschen von 25 bis 30 Kilometern. Ein einziges Mal mussten sie eine längere Strecke im Auto zurücklegen, aus Sicherheitsgründen, als sie im syrischen Herbst in die politischen Wirren gerieten.

Beten mit den Füßen

Doch die Motivation, weshalb die engagierten Katholiken etliche Risiken, beträchtliche Kosten und Blasen an den Füßen auf sich genommen haben, ist nicht allein die Sehnsucht nach dem Land der Bibel. Ihre Pilgerschaft soll ein Zeichen für den Frieden, für die christliche Ökumene und den interreligiösen Dialog sein. Ursprünglich planten sie, auch evangelischen Christen, Juden und Muslime als Weggefährten zu gewinnen, was allerdings aus praktischen Gründen scheiterte.

Das ganze Projekt ist mit zahlreichen Veranstaltungen und einer starken Medienpräsenz verbunden. Getragen wird es vom "Lassalle-Haus“ Bad Schönbrunn unweit von Zug, dessen Leiter Christian Rutishauser ist. Dieses überregional bekannte Bildungszentrum trägt den Namen des deutschen Jesuiten und Zen-Meisters Hugo Makibi Enomiya-Lassalle (1898-1990), der einst den Atombombenabwurf von Hiroshima überlebte und am selben Ort nach dem Zweiten Weltkrieg eine Friedenskirche baute.

In einem umfangreichen Blog berichten die Pilger regelmäßig von ihren Erfahrungen und Eindrücken. Dank GPS kann ihre Route im Internet stets nachverfolgt werden. Am Ende der Reise steht eine Friedenskonferenz in Jerusalem, die das Lassalle-Haus zusammen mit einer Partnerorganisation ausrichtet und an der hochrangige Gelehrte aller drei abrahamitischen Glaubensgemeinschaften teilnehmen.

Das andere Syrien

Schon zuvor gab es in Istanbul eine muslimisch-christliche Begegnungswoche. Ein Symposium im nächsten Mai, Buchveröffentlichungen sowie eine TV-Dokumentation werden folgen.

Bei der Vorbereitung der Versöhnungsreise konnte jedoch keiner der vier Beteiligten ahnen, welche Brisanz ihre Aktion im Laufe des Jahres 2011 bekommen würde, durch die Gewaltausbrüche und Spannungen im Nahen Osten.

Schon auf dem Weg in die Krisenregion begegneten sie den Spuren von Krieg und Zerstörung in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien. Als sie schließlich nach der Durchquerung der Türkei am höchsten islamischen Feiertag, dem Opferfest, an der syrischen Grenze ankamen, stellte sich die Frage, ob sie ihre Route fortsetzen sollten. Aus der Heimat erhielten sie dringliche Mahnungen, es nicht zu tun, von Familien, Freunden und offizieller Seite.

Aber die vier Pilger entschieden sich anders. Sie vertrauten auf die Ortskenntnisse, die sie sich vorher angeeignet hatten, und gelangten auf relativ ruhigen Pfaden durch Nordsyrien, wobei sie die Zentren des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad mieden, der nach wie vor von den meisten Christen seines Landes und von seiner eigenen Religionsgemeinschaft der Alawiten unterstützt wird. Erst von Damaskus südwärts nach Jordanien musste die Gruppe aufgrund der unübersichtlichen Lage mit dem Taxi fahren. Die mehr oder weniger ständige Überwachung durch den Geheimdienst sorgte ebenfalls für ein gewisses Maß an Schutz. Einmal allerdings wurde Pater Rutishauser mit einer Pistole bedroht.

Trotzdem war die unsichere Lage spürbar. So erschraken die Fußreisenden in Sachen Frieden nicht schlecht, als im Niemandsland der Wüstensteppe plötzlich ein Lieferwagen vor ihnen hielt und zwei Männer heraussprangen. Deren erste Frage lautete völlig überraschend: "What do you want to drink?“ Es waren Getränkelieferanten aus der Gegend. Auf Wunsch drückten sie jedem der Pilger eine Dose Ice Café in die Hand und meinten: "This is Syria!“

Solche Gastfreundschaft und glückliche Fügungen erlebten die Wallfahrer aus dem Westen immer wieder in den letzten Monaten. Eine unrühmliche Ausnahme machte ausgerechnet ein Kloster in Serbien. Die orthodoxen Mönche wollten die Ankömmlinge wegen fehlender Rechtgläubigkeit nicht beherbergen. Immerhin parkte der Abt das Auto aus der Garage, sodass sie auf dem kalten Boden übernachten konnten.

Die Stadt des Friedens

Nachdem sie den Advent in einem Hotel der jordanischen Metropole Amman verbracht haben, werden die Wüstenwanderer kurz vor Weihnachten zum letzten Teilstück ihres Weges aufbrechen, durch die Jordansenke hinüber nach Jericho und dann fast tausend Höhenmeter hinauf zur "Stadt des Friedens“, nach Al-Kuds, der "Heiligen“, Jerusalem. Für diese Schlussetappe erwarten sie wieder eine größere Zahl von Mitpilgern aller Konfessionen, die von zu Hause anreisen. Gemeinsam werden sie die Festtage im Heiligen Land verbringen.

Der Höhepunkt der Feierlichkeiten soll am 24. Dezember der Gang nach Bethlehem zur Christmette sein. Dieser führt seit einigen Jahren durch die israelische Trennmauer an der Grenze zu den Palästinensergebieten. So bleibt der Wunsch nach Versöhnung, den die Pilger mit ihrer Initiative unterstreichen wollten, verbunden mit der Hoffnung, dass auch Jesu Geburtsstadt bald wieder ohne Hindernisse zu erreichen ist.

Zu Fuß nach Jerusalem

Informationen zum Projekt: http://blog.lassalle-haus.org/

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