Diskussion im Extrazimmer

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Unlängst war im ORF zu sehen, wie vier Damen den Schauspieler Gabriel Barylli (Der Schüler Gerber) ausfragten. Nicht nur weil er Liebesromane schreibt, sondern seltsamerweise auch weil er bereits viermal verheiratet war, gilt er als Experte in Herzensdingen. Als solcher dozierte er über die Liebe, die Damen nannten ihn einen "Kampfromantiker", hingen aber an seinen Lippen, die das Konzept des offensiven Frauenverstehens kundtaten.

Die Sendung heißt Extrazimmer und spiegelt 1:1, wie es um unsere Diskussionskultur bestellt ist: Ein Prominenter wird vorgeführt, das Volk, vertreten durch die Stammtischrunde, darf fragen, was es schon immer fragen wollte. Zum Beispiel, ob der Palmers-Entführungshelfer seine Wäsche bei Palmers einkauft. Verhandelt werden diese aus privater Neugier gespeisten Fragen im Extrazimmer, abseits jener Bühne, auf der sozial Relevantes diskutiert wird. Der Vergleich mit dem Club 2, als dessen Neuauflage die Sendung gedacht war, geht ins Leere: Extrazimmer ist das absolut zeitgemäße, das authentische "Format". Denn was eigentlich ist das Legendäre am "legendären Club 2"? Der Mut zum und die Lust am Streit über Konfliktträchtiges und Grundsätzliches. Die Diskutanten waren, egal ob Experten oder "bunte Vögel", gleichberechtigt, es gab, dank dem Open end, die späte Stunde des Bekenntnisses. Man konnte reden, solange es etwas zu sagen gab.

Der erste Domestizierungsversuch dieser Mutter aller Talkshows mündete in Langeweile, in den Meinungsaustausch der Parteisekretäre: die Sendung Offen gesagt definierte sich gerade dadurch, dass nichts offen gesagt wurde.

Die Ehrlichkeit im Extrazimmer besteht darin, dass der Gast, sobald abgegangen, nach Herzenslust ausgerichtet wird. Barylli jedoch hinterließ schiere Verzückung. Der Schüler Gerber hat diskutiert.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin in Wien.

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