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Langjährige musikalische Aufbauarbeit in St. Stephan ist unwiderruflich zerstört.

Ich glaube, es ist einfach passiert, dass es diese Dommusik nicht mehr gibt, und das ist das Schlimmste, was man darüber sagen kann. Wirklich gewollt hat das wahrscheinlich niemand", meint Peter Planyavsky, einer der profiliertesten Kirchenmusiker überhaupt und bis Februar dieses Jahres Domorganist von St. Stephan in Wien. Seit November ist auch die Stelle des Domkapellmeisters vakant, denn Johannes Ebenbauer hat seinen Posten ebenfalls aufgegeben.

Beide Musiker haben einvernehmlich gekündigt, betont man von Seiten der Erzdiözese, doch dazu kann Planyavsky, der vor kurzem mit dem Würdigungspreis für Musik 2005 ausgezeichnet wurde, nur bitter lächeln. "Ich bin genauso einvernehmlich gegangen, wie die Frau Riess-Passer zurückgetreten ist. Selbstverständlich war das nicht freiwillig im umfassenden, sondern nur im arbeitsrechtlich-technischen Sinn."

In Musica Sacra, dem "Zentralorgan" der deutschsprachigen Kirchemusikszene, schreibt der renommierte Kölner Organist und Orgelfachmann Reiner Schuhenn: "Planyavsky ist eine zentrale Symbolfigur für die Musik der nachkonziliaren erneuerten Liturgie, als Komponist und Organist, als Promotor der musikalischen Sekundärliteratur zum Gotteslob. Er ist nach wie vor Lehrer und Leitbild im liturgischen Orgelspiel für unzählige Organisten im gesamten europäischen Umland."

Symbolfigur neuer Liturgie

Was ist geschehen? Im Kern geht es um die immer gewichtigere Rolle, die dem Assistenten der Dommusik, Dommusicus Thomas Dolezal, im Lauf der Jahre von Seiten des Domkapitels zugebilligt wurde. Der Dommusicus war laut Dienstrecht dem Domkapellmeister zugeteilt und ihm unterstellt. Eine hierarchische Ordnung, die, so meinen Ebenbauer und Planyavsky unisono, von Dolezal immer wieder negiert wurde. Dolezal, der sich nicht in einem Interview äußern wollte, habe sich häufig an seinem Vorgesetzten vorbei Aufträge direkt vom Klerus verschafft. Seit 1995 sei dieses Problem dem verantwortlichen Domkapitel bekannt gewesen.

Die Entwicklung wird von den beteiligten Parteien naturgemäß verschieden beurteilt. Dompfarrer Anton Faber sieht die Schuld nicht nur bei Dolezal. "Die drei Musiker haben verschiedene Schwerpunkte. Ein Dolezal kann einem Planyavsky in Sachen Orgelspiel nicht das Wasser reichen. Dolezal dagegen bedient im Sinne einer Pastoralliturgie sehr viel mehr. Seine Arrangements und Kompositionen gefallen vielen. Dolezal kommt einer gottesdienstlich gestimmten Gemeinde mit seiner Musik entgegen." Soll heißen, dass Dolezals Musik im Gegensatz zu den Kompositionen Planyavskys mehrheitsfähig ist. Außerdem gefällt sie auch Kardinal Schönborn, was - auch wenn der Erzbischof nicht direkt mit der Sache befasst ist - gewiss keinen Nachteil darstellt. Man habe alle drei Musiker mit ihren verschiedenen Talenten am Dom halten und keinen verlieren wollen, betont Dompfarrer Faber.

Seit März dieses Jahres war innerhalb der Dommusik de facto eine Gleichstellung aller drei Musiker gegeben. Damit wollten sich weder Ebenbauer noch Planyavsky abfinden und haben gekündigt.

Momentan ist eine Jury dabei, aus rund 25 Bewerbungen für die ausgeschriebene Stelle des Domkapellmeisters von St. Stephan eine Reihung zu erstellen. In der ersten Jahreshälfte 2006 ist mit einer Neubesetzung des derzeit vom gediegenen Kirchenmusiker Günter Knotzinger interimistisch verwalteten Postens zu rechnen. Ob es wieder einen vollzeitlich angestellten Domorganisten geben wird, ist ungewiss. Gewiss ist jedenfalls, dass die langjährige Aufbauarbeit Ebenbauers mit Domchor und -orchester unwiederbringlich zerstört ist, denn zahlreiche Protagonisten haben das Ensemble verlassen. Gewollt hat man das sicher nicht. Es ist halt passiert.

Der Autor ist Redakteur der orf-Abteilung Religion im Hörfunk.

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