"Doppeladler" in Schwulitäten

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Elfriede Jelineks Version von Oscar Wildes "Bunbury" am Wiener Akademietheater: Wildes Witz kommt unter die Räder sexueller Übererregtheit.

Ernst ist das Leben", verkündet Elfriede Jelinek mit ihrer auf einer Übersetzung von Karin Rausch beruhenden Version von Oscar Wildes Komödie "The Importance of Being Earnest", die man besser unter dem Titel "Bunbury" kennt. Das Programmheft zur jüngsten Premiere im Wiener Akademietheater verrät, in alter Rechtschreibung, aber in totaler Kleinschreibung, was Regisseur Falk Richter anpeilte: "die totale verwirrung und sexuelle übererregtheit - das ist der zustand der figuren in diesem stück, das muß bis zum exzeß getrieben werden - und die komik so überdreht werden, daß so etwas wie eine entertainment austreibung stattfindet."

Das Ergebnis: Karikaturen, aber keine Menschen auf der Bühne, und das nach wie vor Beste am Stück, Wildes zynischer Sprachwitz, kommt im allgemeinen Klamauk immer wieder unter die Räder. Nobelpreisträgerin Jelinek in Ehren, doch Humor ist ihre Sache nicht. Was Franzosen mit Charme, Briten wie Wilde noch mit Eleganz präsentieren, wirkt in Jelineks Text - "Grauenhaftes Deutsch!" heißt es einmal im Stück - manchmal derb und plump: Wildes ein Doppelleben führende "Bunburyaner" nennt sie "Doppellader" und baut gleich ein unnötiges Wortspiel mit "Doppeladler" ein.

Die Hauptfiguren sind die Freunde John Worthing und Algernon Moncrieff, die zeitweise mit anderer Identität ein Lotterleben führen und sich am Ende als Brüder und Verlobte zweier junger Damen wiederfinden, die für den Vornamen Ernst schwärmen. In der aktuellen Inszenierung haben beide Herren offenbar auch für das eigene Geschlecht, vor allem Algernons Beziehung zu seinem Diener Lane ist offensichtlich, einiges übrig.

Wildes Problem war bekanntlich seine Bloßstellung, Ächtung und Kriminalisierung als Homosexueller, die wenige Wochen nach seinem Erfolg mit diesem Stück erfolgte. Da liegt es nahe, das Stück als Steinbruch unterdrückter Sexualität zu sehen. Spitzt schon Jelinek alle für sexuelle Anspielungen geeigneten Textpassagen zu, so setzt Regisseur Richter noch eins drauf: Ständige "Freudsche" Versprecher und mehr als eindeutige Gesten verraten die sexuellen Nöte der handelnden Personen und die Kluft zwischen Schein und Sein.

So sehr Wilde sich als spöttischer Dandy, als reiner "L'art pour l'art"-Künstler gab, dessen Werke unterhaltsam und nicht belehrend wirken sollten, so enthält gerade "Bunbury" doch eine Aussage, die den Autor selbst schmerzlich traf: Sein und Schein sind auf lange Sicht schwer zu trennen, Heuchelei und Verstellung haben meist ein Ablaufdatum. Und das Geld für ein reines Spaßleben kann auch ausgehen.

In Falk Richters Inszenierung regieren freilich Musicalstimmung (Musik: Rocko Schamoni/ Jonas Landerschier) und Fröhlichkeit auf der von Katrin Hoffmann mit Spiegelwänden, einem Whirlpool, als Schaukeln geeigneten Lusterbalken sowie mit Strohballen und Schafpuppen ausgestatteten Bühne. Die Akteure werden ihren ziemlich eindimensional angelegten Rollen sehr gerecht: Michael Maertens (Algernon) und Roland Koch (John) dürfen in Röcken über die Bühne tollen, Dorothee Hartinger (Gwendolen) und Christiane von Poelnitz (Cecily) einander eine gar nicht aristokratisch wirkende Eifersuchtsszene liefern, Johann Adam Oest (Chasuble) und Libgart Schwarz verklemmte Sexualität beisteuern. Dominanz zeigt Kirsten Dene (Lady Bracknell), die wieder einmal hinreißend gesanglich in Aktion tritt.

Den "Deus ex machina"-Effekt, mit dem sich alles zum fragwürdigen Happy end wendet, begleitet das Aufscheinen eines großen leuchtenden Kreuzes über der Bühne. Ein befremdendes Spiel mit religiöser Symbolik - oder wollte die Regie damit gar andeuten, dass Oscar Wilde einen Tag vor seinem Tod zum Katholizismus übertrat?

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