Doppelte Herausforderung

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Im alpinen Raum steht der Architekt vor besonderen ästhetischen und technischen Problemen. Die Ausstellung "Neues Bauen in den Alpen".

Bauen in den Alpen ist ein hochkomplexer Vorgang. Und eine doppelte Herausforderung: Extreme Wetterbedingungen und die Anpassung an die Naturlandschaft stellen besonders hohe technische und ästhetische Anforderungen an Baumeister und Architekten. Der Alpenraum droht seine Identität zu verlieren. Die Ausstellung "Neues Bauen in den Alpen" zeigt im Wiener Ringturm moderne Projekte, die der Tradition einer hochstehenden Baukultur folgen.

Schwierige Bedingungen führten zu einer qualitätsvollen alpinen Baukultur, die den faszinierenden Naturraum zur Kulturlandschaft machte. Der Fremdenverkehr aber gefährdet den alpinen Lebensraum ebenso wie touristische Infrastruktur das Bauen massiv verändert. Die natürliche und kulturelle Identität der Alpen droht zu schwinden, wenn die archaische Kraft der Berge zur Fremdenverkehrskulisse mutiert.

Neues Bauen in den Alpen: Die Ausstellung im Ringturm beweist, dass moderne Architektur und Respekt vor alpiner Kultur und Landschaft kein Widerspruch sein müssen. Um zeitgemäßes Bauen zu fördern und das Verständnis für moderne Architektur in der Bevölkerung zu erhöhen, stiftete die Südtiroler Gemeinde Sexten 1999 den "Großen Preis für Alpine Architektur". Was ab 1991 fertiggestellt wurde, kam in die Auswahl. Qualitätsvolles Bauen in Europas bedeutendstem Gebirgszug ist eine nachhaltige Angelegenheit. Seit Jahren verfolgt die international besetzte Jury intensiv alpines Bauen. 153 Projekte wurden diesmal eingereicht, bei der Bewertung ging man sehr grundsätzlich vor. Friedrich Achleitner, Sebastiano Brandolini, Manfred Kovatsch, Marcel Meili und Bruno Reichlin bereisten Berge, Gipfel und Schluchten, um sich 76 Bauten vor Ort anzusehen.

Den ersten Preis teilen sich Architekt Peter Zumthor und Ingenieur Jürg Conzett. Beide haben im bisherigen Schaffen die Entwicklung modernen Bauens in den Alpen wesentlich mitgeprägt. Conzett baute an acht der bisher prämierten Arbeiten mit. "In Graubünden ist er das gute konstruktive Gewissen der Region", meint Achleitner.

Der prämierte Traversiner Steg ist Conzetts erstes eigenes Werk. Es entstand unter extremen Bedingungen. Nur ein russischer Helikopter konnte das Baumaterial in die überaus steile, felsige Schlucht mit Wildbach liefern. Seine maximale Hubkraft betrug 12 Tonnen, mehr durfte der Steg nicht wiegen. Conzett ist ein eigenwilliger, vielschichtiger, kreativer, kompromissloser Ingenieur, nie gibt er sich mit Einfachem und Naheliegendem zufrieden. Feingliedrig, zart wie ein filigranes Gewebe überspannt seine Seilkonstruktion des Traversiner Stegs 70 Meter Schlucht und trotzt doch jeder Gebirgswitterung. Dass er beim Queren sacht schwingt, erhöht nur den Reiz.

Peter Zumthors Architektur ist eine Größe für sich, die neue Maßstäbe setzt. Das Siegerprojekt, Zumthors neues Bad in der Therme in Vals, machte eine abgewirtschaftete Bade- und Hotelanlage zum prosperierenden Tourismusbetrieb. Hochsensibel für Material, Licht und Struktur sucht er immer neue Antworten auf grundsätzliche Fragen der Architektur. Seine Bauten reagieren einzigartig auf den Ort, finden ungewöhnliche Lösungen für ihre Themen. Zumthor kehrt an den Ursprung zurück, als Lehrer und Meister prägte er viele jüngere Architekten. Seine Kapelle in Sogn Benedegt gewann bereits 1992 einen ersten Preis für Alpines Bauen, zwei seiner Häuser wurden ausgezeichnet.

Eduardo Gellner wurde mit einem Ehrenpreis gewürdigt. Seine Strukturuntersuchungen friaulischer Bergdörfer, Bebauungskonzepte und Haustypologien bilden einen wesentlichen Beitrag zum Thema. Gellners intensive Auseinandersetzung mit der Bevölkerung der Dörfer erhöht die Akzeptanz moderner Bauten stark.

Gion Caminada lässt sich mit Geduld und Hingabe auf die Menschen des alpinen Raumes ein, seit Jahren lebt er im Graubündner Vrin. "Er betreut mit seiner Arbeitskraft das ganze Dorf," meint Achleitner, "der Ort macht eine Bewusstseinsänderung durch." Die Resultate sind unter den 29 exemplarischen Bauten zu moderner, authentischer alpiner Architektur im Ringturm zu sehen.

Neues Bauen in den Alpen

im Ausstellungszentrum im Ringturm, Schottenring 30

Bis 27. September

Mo-Fr 9.00-18.00, Do 9.00-19.30.

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