Dr. Mabuse und Prof. Marcuse

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Hin- und hergerissen zwischen Menschennähe oder Naturfreundlichkeit und dem Gegenteil davon präsentiert sich nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Politik. Die richtige Kultur ist gefragt - und von dieser handelt die Festschrift für Manfried Welan.

Bei Festschriften gibt es solche und solche und solche: Die ersten freuen nur diejenigen, die darin einen Platz gefunden haben, ihr Manuskript zu publizieren. Die zweite Art erfreut auch jene, denen die Festschrift gewidmet ist und bei der dritten - seltenen - Sorte, haben auch nicht fachspezifisch einschlägig bewanderte Leserinnen und Leser ihre Freude daran. "Kultur der Demokratie", die Festschrift zum 65. Geburtstag des Juristenpolitologen, Langzeit-Rektors und Stadtpolitikers Manfried Welan ist letzterer Kategorie zuzuschreiben. Was nicht heißt, dass nicht auch das Autorenteam und der Adressat seine Freude an dem Sammelband haben.

Erfreulich aus der Art schlagend schon die beiden ersten Beiträge des Buches: Ada Pellert, Vizerektorin der Karl-Franzens-Universität in Graz, beginnt den Reigen mit einem Interview, das sie mit Jubilar Welan, der über 20 Jahre der österreichischen Rektorenkonferenz angehört hat, einmal führen konnte. "Der Professor zwischen Dr. Mabuse und Prof. Marcuse" - unter dieses Zitat Welans stellt Pellert ihr Gespräch, das in erster Linie nach dem Tätigkeitsprofil eines Uni-Rektors fragt, durch Welans Antworten aber auch sehr viel an biographischen und persönlichen Informationen über den Menschen Manfried Welan enthält.

Uni als leutseliges Kloster

"Communico ergo sum" ist für ihn die zentrale Aufgabe des Universitäts-Managers. Hinzu kommt der "konzeptive, inspirative Teil, immer neue Ideen zu haben". Nicht zu vergessen die Rolle des Rektors als Provokateur, dem der "Zauber der Universität" ein Anliegen ist, der jedoch nicht vergisst, dass "die Universität so gut im Behandeln der Kunden sein muss wie der Meinl" und insgesamt so etwas wie ein "leutseliges Kloster" ergeben soll.

Die Universität, die Wissenschaft, meint Welan, darf dabei auch nicht überschätzt und hochstilisiert werden: "Letzten Endes geht es um die Lösung von Problemen, und wir setzen da immer eine gewisse Menschennähe, Menschenfreundlichkeit oder Naturfreundlichkeit voraus, was nicht ausgemacht ist. Da ist die Wissenschaft überfordert, wenn man von ihr erwartet, dass sie nur brav ist. Der Professor steht zwischen Doktor Mabuse und Professor Marcuse".

Und die Leser der Festschrift stehen nach dieser gelungenen Einleitung vor einer weiteren ungewöhnlichen, dafür aber umso reizvolleren Aufbereitung eines "Diskurses über Demokratie". Dieser findet anlässlich eines ausgiebigen Heurigen-Besuches statt. Von vornherein deswegen - im wahrsten Sinne des Wortes - schon spritzig zu lesen, geht es den beiden Politikwissenschaftlern Robert Beck und Christian Schaller um die Frage, welchen Einfluss Wahlrechtssysteme auf die Demokratie haben. Den beiden gelingt es auf recht humorvolle Weise, dieses ansonsten eher spröde Thema abzuhandeln. Zum Raten laden auch die Anspielungen auf wissenschaftliche Publikationen Welans oder seiner Kollegen ein. Wenn es z.B. heißt: "Ein Freund von jemand hat einmal gemeint, dass das Persönlichkeitswahlrecht ein Mythos sei - und der Mann muss es wissen, er war immerhin einmal Zweiter Nationalratspräsident". Oder wenn auf den Stoßseufzer: "Warum ist die Demokratie bloß so schwierig?" beruhigend zu lesen ist: "Vielleicht, weil jemand einmal gefragt hat: Ist es nicht so, dass Demokratie nichts Fixes und Fertiges ist, sondern eine permanente Aufgabe? Und wenn dem so ist, dann müssen wir einsehen, dass Demokratie nichts Gegebenes ist, sondern etwas Aufgegebenes. Wenn wir nicht nach immer mehr Demokratie streben, werden wir immer weniger Demokratie erleben." Wenn doch nicht nur Beck und Schaller am Heurigentisch solche Gedanken bewegen würde, sondern auf vielen anderen Stammtischen im Land diese Maxime die Lufthoheit zurückerobern könnte!

Anton Pelinka widmet sich ebenfalls dem Thema Wahlrecht und argumentiert - einen Gedanken Welans aus den sechziger Jahren aufgreifend - "Wider die Dogmatisierung der Verhältniswahl". Er schließt seine Ausführungen mit der pessimistischen Beurteilung: "Die politische Klasse Österreichs ist nicht fähig, sich an einer Diskussion zu beteiligen, die das Wahlsystem in Zusammenhang mit der Demokratiequalität und mit der Funktionsfähigkeit des politischen Systems bringt. Die politische Klasse ist in ihrem Kurzzeitdenken gefangen." Nach dem Debakel, das Alfred Gusenbauers kürzlich vorgebrachter Vorschlag eines mehrheitsfördernden Wahlrechts erlitten hat, ist den Worten Pelinkas nichts mehr hinzuzufügen. Ein Beitrag aus der Fülle interessanter Analysen sei abschließend noch hervorgehoben. Sonja Puntscher-Riekman plädiert dafür, die politische und gesellschaftliche Verfasstheit der Stadt als Vorbild für die EU ins Auge zu fassen, denn "Pluralität ist das zentrale Merkmal der Stadt". Eine Feststellung, die wohl auch der "gescheite, aktionsreiche Intellektuelle mit wienerischem Timbre" zustimmend unterschreiben würde, dem die Autorinnen und Autoren diese Festschrift gewidmet haben.

Kultur der Demokratie. Festschrift für

Manfried Welan zum 65. Geburtstag.

Hg. von Christian Brünner u.a.

Böhlau Verlag, Wien 2002,

392 Seiten, geb., e 39

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