Drei Könige, zwei Türme, ein Dom

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Vor 750 Jahren wurde der Grundstein zum Kölner Dom gelegt, Anlaß für die Rheinmetropole, mit einem Festjahr auf ihre gotischen Schätze hinzuweisen.

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Vor 750 Jahren wurde der Grundstein zum Kölner Dom gelegt, Anlaß für die Rheinmetropole, mit einem Festjahr auf ihre gotischen Schätze hinzuweisen.

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Köln lockt seit Jahrhunderten Menschen aus nah und fern an, besonders auch heuer, 750 Jahre nach der Grundsteinlegung zum gotischen Dom. 1998 wird gleich zum "Gotischen Jahr" ausgeweitet. Das lenkt die Aufmerksamkeit nicht nur auf andere gotische Kirchen und Profanbauten, sondern auch auf die Neugotik, die von hier im 19. Jahrhundert starke Impulse bekam. Zuletzt hatte der Dom 1980 Anlaß zum Feiern geboten: 100 Jahre nach der Vollendung in der Blütezeit der Neugotik. 1248 bis 1880: eine kaum vorstellbare Bauzeit.

Das Festjahr begann logischerweise am 6. Jänner, dem Tag der Heiligen Drei Könige, der in Köln zwar nur ein "halber" Feiertag ist, aber zum vormittäglichen Pontifikalamt alles im kalten Dom versammelt, was sich von der Arbeit freimachen kann oder meint, dabei sein zu müssen. Seit der Reichskanzler des Kaisers Friedrich Barbarossa, der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel, 1164 aus dem eroberten Mailand Reliqien in seine Residenz brachte, die als Gebeine der Heiligen Drei Könige verehrt wurden, seit in der Werkstatt des Nikolaus von Verdun 1181-1230 der prachtvolle goldene Dreikönigsschrein entstanden war, fehlte die angemessene bauliche Hülle, die sich unter den repräsentativen romanischen Kirchen der größten Stadt nördlich der Alpen sehen lassen konnte. Der Platz für den Dom blieb seit der karolingischen Zeit unverändert. Nun aber plante man einen Neubau in der gerade modern gewordenen Gotik: hoch aufragende Pfeiler und Türme, lichtdurchflutete Wände mit großen Fenstern. Eine "himmlische Stadt" als zweite Hülle um den Reliquienschrein.

Einer Brandkatastrophe wegen wurde der "Alte Dom" nicht allmählich durch den neuen ersetzt, sondern gleich mit dem Bau des Chores begonnen. 1248 legte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein, 1322 konnte der Chor geweiht werden, aber schon seit 1265 wurden sieben Chorkapellen für Gottesdienste genutzt. Der Innenraum wirkt gewaltig: 13,80 Meter breit ist das Mittelschiff, 43,35 Meter hoch. Der bisherige Dombaumeister Arnold Wolff rühmt das Bauwerk, das ihm bis zur Pensionierung anvertraut war: "Das Bauschema ... entspricht ... recht genau dem seines Vorbildes, der Kathedrale von Amiens. Doch gegenüber dieser sind alle Einzelheiten verfeinert. Die gesamte Architekturgliederung ist im Innen- wie am Außenbau deutlich logischer und konsequenter durchgeplant. Keine der großen Kathedralen in Frankreich zeigt ein so vollkommenes und fehlerfreies Architektursystem wie der Kölner Dom. Mit ihm findet die Kathedrale als Bautyp ihren Höhepunkt."

1560 wurde der Weiterbau eingestellt. Es fehlte an Geld, die Kathedrale in dieser Form war aus der Mode. So findet man auf alten Ansichten bis weit ins 19. Jahrhundert einen Torso mit der schiefen Spitze des Baukrans auf dem Südturm. Im späten 18. Jahrhundert wurde zuerst in England die Gotik wiederentdeckt. Um 1800 wurde das Erzbistum Köln säkularisiert, etliche Kirchen und Klöster wurden abgerissen, kostbares Inventar kam in den Dom. Gerade in dieser Zeit forderten mächtige Stimmen den Weiterbau des Domes, vor allem Sulpiz Boisseree und Joseph Görres. Man fand auch den Fassadenplan aus der Zeit um 1300: ein 4,05 Meter hohes Pergament.

Seit dem Wiener Kongreß, nach 1815, gehörte Köln zum protestantischen Preußen. Obwohl ein neu erwachtes katholisches Glaubensleben und die Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Marias einen Kirchenkampf anheizten, wurde der Dom zum überkonfessionellen Wahrzeichen der ersehnten deutschen Einheit erkoren. Dombau-Vereine bildeten sich weit über Deutschland hinaus. In Paris soll sogar der Emigrant Heinrich Heine für den Dom gesammelt haben.

Weitreichende Auswirkungen hatte die nun mit neuen Impulsen tätige Dombauhütte. Persönlichkeiten wie der Wiener Dombaumeister Friedrich von Schmidt und seine Schüler - Hauberisser (aus Graz), der Ungar Imre Steindl, der Tscheche Josef Mocker - trugen das Gedankengut, das ja auch weltanschaulich-ideologisch geprägt war, in die Welt. Vinzenz Statz baute nach vielen Aufgaben im Rheinland als sein Hauptwerk den Neuen Dom in Linz.

Die Tausenden Besucher, die Köln in diesem Jahr erwartet, werden wohl nicht nur an den vielen Festlichkeiten religiöser und weltlicher Art teilnehmen, sondern auch die anderen gotischen Bauten besuchen. So die Minoritenkirche mit den Gräbern des aus Schottland zugewanderten Franziskaners Duns Scotus, der als Professor in Oxford, Paris und Köln gewirkt hat, und des "Gesellenvaters" Adolph Kolping. In St. Pantaleon wurden der Erzbischof Bruno I., Bruder Kaiser Ottos I., und die Kaiserin Theophanu beigesetzt. In der heute evangelischen Antoniterkirche findet man den "Todesengel" von Ernst Barlach (1927), in der Krypta von St. Andreas die Gebeine des heiligen Albertus Magnus. Unter den Profanbauten ragen das Rathaus und der Gürzenich mit seinem repräsentativen Festsaal hervor. Hier hielt schon 1505 Kaiser Maximilian I. einen Reichstag ab. Heute ist er bekannt durch die Narrensitzungen im Karneval.

Auch neugotische Bauten haben in Köln überdauert. Man muß sich ins Gedächtnis rufen, daß diese Stadt 1945 nach 262 Luftangriffen ein Trümmerhaufen, daß der schwer getroffene Dom aber mit seinen beiden Türmen noch derselbe Orientierungspunkt war, wie immer. 150 Millionen DM hat die Beseitigung von Schäden durch Bomben und Luftverschmutzung bisher gekostet. Der Dom ist unübersehbar, ob man per Zug, per Flugzeug oder per Rheindampfer ankommt. Mit dem Dom als Wahr- und Werbezeichen wird zum Genuß von Schokolade und Bier, Kölnisch Wasser und vielem anderen eingeladen. Das einprägsame Zeichen der Kölner Messe formt aus den beiden Turmspitzen ein großes M.

Das ganze Jahr über gibt es Ausstellungen, Konzerte, Vorträge, Kongresse. Höhepunkt der Festlichkeiten wird der Marien-Feiertag am 15. August sein, wenn auch die neue Dom-Schatzkammer eröffnet werden soll.

Jahresprogramm-Informationen: Erzbistum Köln Büro des Domjubiläums, Tel. 0049-221/1642-1177.

KölnTourismusOffice, Tel. 0049-221/221-3345.

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