Dreist, voll Geist - Kleist!

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Traumhaft: Andrea Breth inszenierte am Wiener Burgtheater "Das Käthchen von Heilbronn".

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Traumhaft: Andrea Breth inszenierte am Wiener Burgtheater "Das Käthchen von Heilbronn".

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Eine Weltkugel, durch einen schwarzen Balken geteilt, leuchtet über der Bühne auf. Noch während man rätselt, was das zu bedeuten habe, treten die Räte und Richter des heimlichen Gerichts wie ein Aufsichtsrat zusammen. Da wird deklamiert wie in den klassischen Zeiten des Burgtheaters. Erst als Graf Wetter vom Strahl, der Verführung des jungen Käthchens bezichtigt, sich näselnd-herablassend verteidigt, kommt Bewegung in die Aufführung: "Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe" hält an die vier Stunden das Publikum des Wiener Burgtheaters in Atem.

Im Grunde ist es ein Märchen, das Heinrich von Kleist hier erzählt: von einem Traum, der wahr wird, von einer Liebe, die durch Feuer und Wasser geht, von einem Heldentum, das keiner Waffen, sondern nur des Vertrauens in die eigene gute Sache bedarf. Dazu passt Eichendorffs romantisches Gedicht "Mondnacht" , das die Regisseurin Andrea Breth in diesem Stück mehrfach zitieren lässt, bis es beim Publikum am Ende der Vorstellung mehr im Gedächtnis haften dürfte als jede Zeile von Kleist: "Es war, als hätt' der Himmel die Erde still geküsst ..."

Von solchen behutsamen Eingriffen abgesehen, hält sich Breth erfreulich eng an das Original. Kamen die einzelnen Buhrufe am Schluss der Premiere von jenen, die sich eine "Klassiker-Zertrümmerung" wie unlängst beim "Fiesko" oder zumindest eine gegen den Strich des Stückes gebürstete Inszenierung wie bei "Weh dem, der lügt" gewünscht hätten?

Wie da zwei Menschen - das naive Mädchen Käthchen gleich, der grüblerische Ritter Friedrich Wetter vom Strahl erst nach und nach - erkennen, dass sie für einander bestimmt sind, wie sie allen Widrigkeiten zum Trotz schließlich ein Paar werden, das hat Kleist am Rande des Kitschigen zu einem mitreißenden Drama der Gefühle gestaltet, in dem die Liebe die Hauptrolle spielt. Nicht wie in fast allen modernen Stücken oder Inszenierungen zur Mann-Frau-Beziehung der Sex und nicht die Emanzipation, sondern die - bis zum Schluss von der "Giftmischerin" Kunigunde bedrohte - Liebe.

Auf der von Annette Murschetz sehr durchdacht eingerichteten Bühne agiert ein Ensemble, das den Text jung und voll Schwung erscheinen lässt - Kleist dreist und voll Geist. Vor allem Wolfgang Michael als der im Laufe des Stückes eine Entwicklung durchmachende Graf vom Strahl und Andrea Clausen als hinterlistige Kunigunde von Thurneck stellen recht moderne Charaktere dar. Die sympathische Johanna Wokalek erfüllt die eher eindimensionale Rolle des unbeirrbar und devot den "hohen Herrn" anhimmelnden Käthchens mit viel Seele und Gefühl.

Neben von Peter Simonischek als Kaiser und Elisabeth Orth als Gräfin Helena gesetzten Glanzlichtern brilliert ein Großaufgebot an erstklassigen Akteuren, darunter die Damen Ulli Fessl, Kitty Speiser und Annette Paulmann sowie die Herren Franz J. Csencsits, Cornelius Obonya, Michael König, Johannes Zirner, Florentin Groll, Johannes Terne, Johannes Krisch, Wolfgang Gasser und Heinz Frölich.

Insgesamt ein in der "Traumszene" zwischen Friedrich und Käthchen gipfelnder in vieler Hinsicht traumhafter Abend an der Burg mit lebhaftem Premierenbeifall.

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