Dunkle Träume kurz vor Mitternacht

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Am 15. Juli beginnt wieder das „ImPulsTanz“-Festival mit seinen über hundert Vorstellungen. Höhepunkt: ein nächtlicher „Wild Walk“ für Tanz-Afficionados.

Auch in seiner 27. Auflage bleibt das dem aktuellen Tanz verpflichtete Festival seiner Tradition treu. Klassisches Ballett sucht man eher vergebens – selbst dann, wenn es auf den ersten Blick anders aussieht. Frankreichs Mathilde Monnier etwa, die „Freiberuflerin unter den Ästheten“, lässt in einer modernen Adaption des 1907 für die Tanzlegende Anna Pavlova geschaffenen Solos „Der sterbende Schwan“ ihr ganzes Bühnenpersonal zu Tode kommen. Titel: „pavlova 3’23“.

Monnier räumt mit dem Pathos auf. Ihr Echo auf Michail Fokines balletthistorisches Werk changiert zwischen flapsiger Ironie und formeller Recherche in aktuellen Mustern. „Once upon a time these friends loved each other …”, intoniert ein Akteur. Zum Gedicht von John Giorno lässt man einander Fürsorglichkeit und Zärtlichkeit zukommen. Kameraden, die die Welt erneuern wollten, werden in den Tod begleitet. Die Beat Generation als sterbender Schwan der Zukunft (30. 7., 1. 8.; Akademietheater).

Anrührende Teenager-Liebe

Vergleichbares unternimmt der renommierte Performer und Cyborg-Fan Chris Haring: Mit Tänzern des „Les Ballets de Monte-Carlo“ wird er in seiner Version „Sacre: The Rite Thing“ ein Ritual entzaubern, das seit über 100 Jahren auf allen Tanzbühnen dieser Welt unweigerlich zum Tode führte. Laut Haring eine „Pop-Art-Entzauberung im Sinne Andy Warhols“.

Im zweiten Teil dieses Abends zeigt dann der Haus-Choreograf der Monegassen, Jean-Christophe Maillot, mit seiner erfolgreichen Truppe den antiken Mythos „Daphnis et Chloé“ zur Musik von Ravel als anrührende Liebesgeschichte unter Teenagern. „Prüde, aber bebend vor Vergnügen, ein graziles, aber leidenschaftliches Stück, komisch und subtil“, meinte die französische „Libération“ (19., 21., 22. 7.; Odeon).

ImPuls-Traditionsgast Anna Teresa De Keersmaeker aus Belgien wird auch heuer ihre neueste Arbeit präsentieren. Marie Chouinard wird mit „Le nombre d’or“ aus den Wäldern Kanadas anreisen. Weitere Namen: Xavier LeRoy, Jérôme Bel, Jonathan Burrows, Schmerzensmann Alain Platel, Wahlwienerin Anne Juren, Benoît Lachambre: All die großen der Tanzwelt stellen sich ein, Garanten für volle Theatersäle, einen Sommer lang.

Erwähnenswert ist die Kooperation des Festivals mit dem 18. Internationalen Aids-Kongress, der zeitgleich in Wien stattfindet. Radikalperformerin Robyn Orlin bricht das tödliche Schweigen um die Krankheit: In „We must eat our suckers with the wrappers on” illustriert ihre Truppe die soziale Tragödie Südafrikas. Sie tut es mit Humor, wie der Titel des Stückes vermuten lässt (20., 22. 7.; MuseumsQuartier).

Den Abschlussabend der Aids-Konferenz werden der Ex-Forsythe-Solist Antony Rizzi und der Ex-Teenie-Superstar aus Andy Warhols Factory, Penny Arcade, bestreiten – nachdem im ersten Teil das ORF-Radio-Symphonieorchester mit der „Hommage à Klaus Nomi“ der Komponistin Olga Neuwirth ein hörbares Zeichen gesetzt hat (24. 7.; Odeon).

Die erwähnte experimentelle Schiene „Wild Walk“ will mit kleineren Arbeiten und niedrigen Ticketpreisen locken. Dunkle, skurrile Träume kurz vor Mitternacht, wo Formen zusammenfinden sollen, die sich im Leben nicht begegnen. Raunzende Vamps und großartige Wirrköpfe treten an die Rampe. Manch einer wird liegen bleiben wie ein toter Wal am Strand. Nebenher wird zur persönlichen Neudefinition von Ästhetik aufgerufen. Beispiele: Ivo Dimchev (16., 24. 7.), DD Dorvillier & Jennifer Monson (24. 7.), Marten Spangberg (14. 8.; alle: Kasino am Schwarzenbergplatz).

Wildes Catwalk-Programm

Eröffnet wird „ImPulsTanz“ vom ungezähmten Flamen Wim Vandekeybus und seinen virtuosen „Ultima Vez“ samt dem Rockmusiker Mauro Pawlowski. Ein wildes Catwalk-Programm aus Tanz und Video wird versprochen, begleitet von Tönen, die das Bewusstsein überwältigen (15. 7.; MQ Haupthof, Eintritt frei).

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