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Der Louvre zeigt, und alles schreit. Allerdings in unterschiedlichen Tönen. Erkundungen einer Sonderausstellung über Deutschland.

Wie war das noch gleich? Zwei Seiten ergeben ein Ganzes? Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland wird sie seit Anfang diesen Jahres beschworen: die dicke Freundschaft, die beide Länder verbindet. Gefeiert wird der 50. Jahrestag des Elysée-Vertrages. Diese Versöhnung ist etwas Besonderes. Es wurde nicht nur entschieden friedlich zu leben, sondern auch, gemeinsam Projekte zu realisieren.

Ein besonderes Jubiläum erfordert eine besondere, gemeinsame Ausstellung. Und so widmet sich der Louvre einer Sonderausstellung, in der er zumindest programmatisch eine Seite beleuchtet: "De l’Allemagne, 1800-1939. De Friedrich à Beckmann“. Die Schirmherrschaft wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident François Hollande übernommen.

Wirklich freundschaftlich schien es allerdings nicht zwischen den Organisationspartnern hergegangen zu sein. Ursprünglich wurde die Ausstellung vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris in Zusammenarbeit mit dem Louvre initiiert und konzipiert. So heißt es in der offiziellen Pressemitteilung der Bundesregierung. Schon vor der Eröffnung der Ausstellung hörte man Gerüchte, es sei zum Streit zwischen den Organisatoren gekommen und nach der Eröffnung ging es dann durch alle Feuilletons: Bei der Werkauswahl waren sich beide Seiten noch einig, bei allem danach nicht mehr. So, wie die Ausstellung nun konzipiert ist, sollte sie nie konzipiert werden.

"Primitive Regungen“

Die Schau wird in drei Abschnitten präsentiert. Zwei Extreme oder Prinzipien zeichneten die Kunst auf dem Weg zur nationalen Identitätsfindung aus: Der erste Teil thematisiert das "Apollinische“ in der deutschen Kunst. Die Ordnung, die Form wird Goethe oder der Klassik zugeordnet. Mit dem Aufstieg Preußens habe sich die Kunst dann ins "Dionysische“ gewandelt: Im zweiten Teil wird Rauschhaftes und Wildes mit dem Zeitgeschehen der deutsch-französischen Kriege in Verbindung gebracht. Die deutschen Künstler hätten "primitive Regungen“ entdeckt ("pulsions primitives“ heißt es in der französischen Version des Saaltextes). Primitivste menschliche Fratzen, Ängste und Grauen sind in der Kunst um den Ersten Weltkrieg herum zu sehen. Am Vorabend zum Zweiten schreien die Bilder: Ecce Homo - das ist der Mensch. Das Thema des dritten Ausstellungsteils.

Welche Bilder werden mit dieser konzeptuellen Interpretation entworfen? Zum einen das Bild einer in sich abgeschlossenen deutschen Moderne, der so völlig der internationale Charakter der französischen Avantgarde abgeht. Zum anderen werden die gezeigten Werke instrumentalisiert, um die Kunst als Versinnbildlichung einer politischen Verfallsgeschichte zu zeigen. Der deutschen Kunst sei seit Goethe das Grauen, das fast schon notwendige Stolpern in den Nationalsozialismus, quasi geschichtsphilosophisch eingeschrieben. Alle künstlerischen Ausdrucksformen erscheinen als Etappen hin zur unabwendbaren deutschen Katastrophe. Egal, ob sich in Sehnsuchtslandschaften Italiens geflüchtet, auf das deutsche Mittelalter besonnen oder das bäuerlich-landwirtschaftliche Leben beschworen wird. So einseitig die Konzeption, so einseitig sind auch Interpretation und Präsentation der Werke geraten.

Die deutsche Version der Saaltexte ist nicht nur um einige Schriftgrößen kleiner, die Texte sind auch von minderer Qualität als die französischen. Befremdlich ist schon die Tatsache, dass es keine weiteren erklärenden Texte zu den einzelnen Bildern selbst gibt. Dass aber sämtliche Bilder nicht mit dem deutschen Originaltitel beschriftet sind, sondern nur in der französischen Übersetzung, ist peinlich und unprofessionell. Bei dem Besuch der Ausstellung fallen auch bestimmte Künstler und Kunstrichtungen im Besonderen auf. Nämlich die, die durch ihre Abwesenheit beeindrucken. Nur, um einiges Weniges zu nennen: kein Bauhaus etwa, kein Dada. Außer Käthe Kollwitz wird auch keine der wirklich beeindruckenden und auch europäisch ausgebildeten deutschen Künstlerinnen gezeigt.

Politische Vereinnahmung der Kunst

Der Louvre präsentiert mit den ausgestellten Werken Kunst von herausragender Qualität und Seltenheit. Er zeigt Werke, die man so noch nie zusammen gesehen hat, und in der Tat bietet die Zusammenschau interessante Verquickungen und Gedanken.

Die Frage, die sich dennoch unweigerlich stellt, lautet: Was war zuerst da? Die Kunst und eine vorbehaltlose Interpretation? Oder eine teleologische Geschichts-Korsage, in die die Kunst konzeptuell hineingezwängt wurde? Dass gemäß dem Titel gar kein Werk aus dem Jahr 1939 gezeigt wird, lässt Augenbrauen hochziehen und Schlüsse ziehen. Das gezeigte Werk Beckmanns "Hölle der Vögel“ entstand im Jahr 1938. Zu sehen ist eine vierbusige Schreckensfrau, die den Arm zum Hitlergruß erhebt. Zwangsläufig denkt man an manche jüngst veröffentlichten Titelblätter, auf denen Frau Merkel als Hilter dargestellt wird.

Es dient zwar der Konservierung, aber die vollkommen unterkühlten Ausstellungsräume passen zur fröstelnden Stimmung. Was als ambitioniertes Projekt begann, beschreitet am Ende bloß altbekannte Pfade. Und das ist schade und sogar brisant. Andreas Beyer, Leiter des Deutschen Forums für Kunstgeschichte, nennt diese rein politische Vereinnahmung der Kunst sogar fatal. Denn gerade unsere Zeit stehe unter dem Risiko einer Renationalisierung der Kulturen. Diese verkürzte, politische Vereinnahmung der Kunst nährt also auch einen gefährlichen Zeitgeist. Kunst und Politik gehen aber nicht so problemlos ineinander, so Beyer. Er findet vielmehr, dass sich die ausgewählten Werke sogar einer politischen Vereinnahmung widersetzen. Wenn Ausstellungen Indikatoren eines kulturellen Klimas sind, wo stehen wir dann nach 50 Jahren Elysée-Vertrag?

De l’Allemagne, 1800-1939

De Friedrich à Beckmann

Louvre, Paris, bis 24. Juni

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