Echtes Theater für junges Publikum

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In Linz wurde zum vierten Mal der STELLA10-Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum vergeben. Die Preisträger beweisen, dass Theater für Kinder und Jugendliche heute eine vollwertige Ausdrucksform ist, die sich künstlerisch mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt.

Österreich verfügt über eine der vielfältigsten und lebendigsten Theaterlandschaften der Welt. In den letzten Jahren hat sich auch im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters einiges getan. Es wurde viel in die Infrastruktur zur Förderung der Theaterkunst für junges Publikum investiert, sodass der Institutionalisierungsgrad mit Festivals wie etwa Schäxpir oder Szene Bunte Wähne und neuen Theatern für junges Publikum, die Aufführungen ganzjährig und täglich anbieten können, auch im internationalen Vergleich beachtlich ist.

Preis schafft Aufmerksamkeit

Um dieser Entwicklung nachhaltig zu stärken und das Kinder- und Jugendtheater als eigenständige Kunstsparte regelmässig in Erinnerung zu rufen, initiierte die ASSITEJ Austria (das französische Akronym steht für Association International du Théâtre pour L’Enfance et la Jeunesse) die jährliche Vergabe eines Preises für herausragende Produktionen im Bereich Theater und Tanz für Kinder und Jugendliche.

Der Sinn eines solchen Preises liegt nicht nur darin, den Wettbewerbsgedanken zwischen den Theatern zu stärken und somit im engeren Sinne auch nachwuchsfördernd und qualitätssteigernd zu wirken oder den Theaterschaffenden die Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen, zu kontinuierlichem Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung zu bieten. Wie Stephan Rabl, Direktor des Dschungel Wien und derzeitiger Obmann der ASSITEJ unumwunden zugibt, soll der Preis auch die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf eine Form des Theaters lenken, das noch immer vor allem in ihrer pädagogischen Funktion wahrgenommen wird. Doch ist dieses Theater, nur weil es sich an junge Menschen wendet, noch lange kein Wohlfühltheater. Auch Theater für junges Publikum ist eine Ausdrucksform, die sich künstlerisch mit der Gesellschaft auseinandersetzt. Auch hier werden auf vielfältige Weise und mit großer Ernsthaftigkeit Lebensentwürfe, Traum und Tod, Angst und Hoffnung, Migration und Kunst etc. verhandelt. Mit einem Wort: Auch hier geht es um etwas.

Nach Wien (2007 und 2008) und Graz (2009) wurde der STELLA10 heuer in Linz vergeben. Die nationale Jury (bestehend aus Anna Thier, Kornelia Kilga und Isa Supanz) sichtete 2009 an die 170 heimische Produktionen. Man kann sich leicht vorstellen, wie schwer es war, aus der Fülle der Stoffe und Themen, ästhetischen Zugängen, Erzähl- und Spielweisen eine Auswahl für die zehn Nominierungen zu treffen. Internationale Jurorinnen prämierten nach Sichtung bei einer feierlichen Gala die Besten des Jahres 2009.

In den Hauptkategorien wurde völlig zu Recht die Bearbeitung nach Herman Melvilles Romanklassiker Moby Dick als herausragende Produktion für Kinder ausgezeichnet. Die Koproduktion des u/hof: Linz und Dschungel Wien bestach durch die suggestive Umsetzung des Lebens auf dem vom hasserfüllten Ahab kommandierten Wahlfänger. Dabei gelang es den beiden Darstellern (Sven Kaschte und Reinhold G. Moritz), mit ebenso raffinierten wie verblüffenden theatralen Mitteln die gesamte Mannschaft der Pequod zum Leben zu erwecken. Moritz wurde zudem mit dem Preis für den besten Darsteller ausgezeichnet. Ausgerechnet in der Landesgalerie Linz, im Saal mit Arbeiten aus der Sammlung ‚Surface – Oberfläche aus Prinzip‘, gab er zudem ein furioses und umjubeltes Solo in Nick Hornbys „Nipplejesus“, einer Satire zum zeitgenössischen Kunstbetrieb, in der ein Museumswärter ein Jesusbild aus Brustwarzen zu bewachen hat.

Theater für alle Zuschauer

Mehr zu diskutieren gab der Preis für das beste Jugendstück „Das heilige Kind“ vom Theater am Ortweinplatz in Graz. Das Stück handelt von einem jugendlichen Liebespaar, das die Frage stellt, warum auf der Welt keiner mehr warten könne und sich zur Enthaltsamkeit entschließt. Trotzdem „sie es nicht machen“, wird Marianne schwanger. Am Ende singt das Paar: „Nie wieder Sex macht froh“, während das heilige Kind hoch oben in einem Storchennest kommentiert: „Nie wieder Sex, aber liebt euch, im Stroh, im Bett, auf den Bergen Israels, nie wieder Sex, aber zeugt mich.“ Was hier ironisch gemeint ist, könnte nur allzu leicht missverstanden werden. Aber schließlich braucht das Jugendtheater solche Produktionen, die eine inhaltliche Diskussion herausfordern.

Was diese Leistungsschau nachdrücklich gezeigt hat, ist, dass es auf dem besten Weg ist, sich als Kunst vielgestaltig zu emanzipieren oder anders gesagt, dass Theater für junges Publikum heute mehr mit Kunst als mit Pädagogik zu tun hat und damit zunehmend ein Theater nicht nur für junge, sondern für alle Zuschauer ist.

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