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Das Wiener Volkstheater langweilt mit "Macbeth".

Das vermutlich 1606 entstandene Drama vom schottischen Königsmörder Macbeth und seiner krankhaft ehrgeizigen Frau ist ein Nachtstück. Die Mehrheit der Szenen spielt in der Nacht und es wird auch ständig an sie erinnert. "Nie soll die Sonne den Morgen sehn", heißt es einmal. Die Nacht ist die Universalmetapher dieses Unheilsdramas, das die Frage nach der (dunklen) Natur des Menschen aufwirft, mit dem alle Grenzen überschreitenden Zwang zur Erkenntnis: "Ich wage alles, was dem Menschen ziemt!"

Auch in der Inszenierung des türkischstämmigen Jungregisseurs Nuran David Calis bleibt es oft dunkel, ganz buchstäblich und leider auch im übertragenen Sinn, stockdunkel. Während Calis die schwer bewaffnete Soldateska in Ego-Shooter-Manier über die mit Leichensäcken verhangene und in dichte Nebelschwaden gehüllte Bühne irren lässt, stellt er nichts als ihre Virilität zur Schau.

Wie bei seiner Inszenierung von Schillers Räubern im vergangenen Jahr setzt er mehr auf die äußere Handlung, machistische Posen, martialisches und hysterisches Geschrei sowie auf viel Schminke. Die nuancenreichen innerpsychischen Vorgänge seines Personals, die komplexen Geflechte zwischen den Figuren dagegen erzählt er kaum. Weder der Regisseur noch Till Firit als Macbeth - von der Regie sträflich allein gelassen, darstellerisch wie sprachlich überfordert (wobei die verschnörkelte Übersetzung von Dorothea Tieck dem Vorschub leistet) - vermögen zu benennen, ob das Böse in Macbeth nun ein ontologisches Verhängnis, ein Geschick ist oder aber aus dem Innern der Gesellschaft kommt.

Auf der durch einen Halbzylinder beherrschten Bühne (Irina Schicketanz) herrschen tautologische Verhältnisse: es ist Krieg, weil Krieg ist, und sie morden, weil sie morden. Dieses Abziehbild von einem Macbeth ist ein Mörder ohne Grund. Er ist Soldat und mordet aus Profession, weniger weil unbekannte Kräfte bestimmen, dass er Böses tun muss, oder aus mörderischem Ehrgeiz oder weil ihn seine machtgeile Lady (Heike Kretschmer) dazu anstachelt und er ihr durch den Vollzug des Mordes seine Männlichkeit bestätigt.

Eines hat diese inferiore Inszenierung - unfreiwillig - mit Shakespeares Welt gemein: dort wie da ist keine sinnvolle Ordnung zu erkennen und sie ist ganz von Erkenntnis ausgeschlossen. Aber wenigstens gibt es da ein Entrinnen. Patric Blaser

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