Eigentor als Ehrentreffer

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Im Wesentlichen taugt ja Deutschland als Modell für die Europäische Union sehr gut. Es steht für das auf dem Subsidiaritätsprinzip fußenden Motto "Einheit in Vielfalt", ist föderal strukturiert, hat wirtschaftlich starke wie schwache Länder, einen ehemals kommunistischen Osten; es ist stark durch zwei der drei großen christlichen Konfessionen (und auch deren Kämpfe gegen-und Ringen miteinander) geprägt und gleichzeitig nicht minder extrem herausgefordert sich dem Thema "Islam in Europa" zu stellen; und es repräsentiert - last but not least -grosso modo die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft im europäischen Konzert.

Jeder also, der die Europäische Union im Sinne ihrer Gründerväter als bürgerlich-liberales, christlich fundiertes und an den Grundsätzen von Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb orientiertes Projekt versteht, kann sich nur wünschen, dass Deutschland Europameister bleibt; oder, um es in der Sprache einer anderen Sportart, in der die Deutschen ebenfalls nicht ganz unerfolgreich sind, zu sagen: die Pole-Position behält. "Mehr Europa" kann in dieser Perspektive politisch-ökonomisch nur bedeuten: mehr nach deutscher Art, nicht à la française, all'italiana oder al espanol.

Neudefinition des europäischen Wertekanons

Eine Zeit lang schien das, nebenbei bemerkt, auch Werner Faymann verstanden zu haben, der sich ja gerne über parteipolitische Grenzen hinweg an Angela Merkel orientierte, bevor der neue sozialdemokratische Hoffnungsträger Matteo Renzi die Bühne betrat. Von dem freilich waren auch schon Töne zu vernehmen, die in der Faymann-SPÖ gemeinhin unter "neoliberal" subsumiert werden. Was der Mann wirklich auf Schienen bringt, bleibt abzuwarten. Vorläufig gilt, was kürzlich auf Spiegel online zu lesen war: "Bevor der Mann Europa retten kann, muss er zunächst sein kompliziertes Heimatland umkrempeln."

Jenen indes, die "Europa" vor allem als großes Umverteilungs- und gesellschaftspolitisch-kulturelles Umerziehungsprojekt sehen und die mit einigem Erfolg an einer entsprechenden Neudefinition des europäischen Wertekanons arbeiten, muss Deutschland als Feindbild schlechthin gelten. Dementsprechend wurde ja in den letzten Jahren Deutschland-Bashing quer durch Europa, auf allen Kanälen und auf unterschiedlichen Niveaus, vom Stammtisch bis zum akademischen Disput, betrieben. Das ist ungefähr so, wie wenn in der Klasse der, der immer alle abschreiben lässt, auch noch als Streber beschimpft wird. Aber die Apologeten des Mittelmaßes verstehen halt nie, dass von den Besten letztlich alle profitieren.

Verheerende Signalwirkung

Nun aber ist Deutschland im Begriff einen kapitalen Fehler zu begehen, der natürlich heiß ersehntes Wasser auf die Mühlen seiner Gegner ist -ein Eigentor als Ehrentreffer sozusagen: Wie immer man es drehen und wenden mag, und selbst wenn es rechtlich wasserdicht hinzubekommen sein sollte -die Idee einer Maut, die letztlich nur Ausländer zu bezahlen haben, ist dermaßen wider den europäischen Geist, dass man es kaum fassen kann. Natürlich müssen deutsche Autobahnen -im Unterschied zu denen vieler anderer Länder -nicht gratis befahrbar sein. Natürlich wirken die Aufplusterungen mancher österreichischer Politiker ("Aug um Aug") lächerlich. Aber das ändert nichts an der verheerenden Signalwirkung. Das in dem Zusammenhang auch schon verwendete Bild von der Wegelagerei mag überzogen sein, ist aber nicht von der Hand zu weisen.

Die EU, so wird zu Recht immer wieder kritisiert, kümmere sich um zu viele Dinge, die sie nichts angingen und vernachlässige jene Bereiche, wo "mehr Europa" tatsächlich sinnvoll wäre. Die Bemautung von Straßen und Autobahnen wäre zweifellos ein solcher Bereich. Und wer, wenn nicht Deutschland, könnte, müsste auch hier eine führende Rolle einnehmen?

rudolf.mitloehner@furche.at

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