Ein Abend zweier bedeutender Frauen

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Das Burgtheater widmet einen Abend unter dem Titel "Spatz und Engel“ den beiden Bühnenstars Marlene Dietrich und Edith Piaf. Überzeugend unterhaltsam.

Die eine galt als verruchte Diva im Hosenanzug, die andere als begnadeter Star, der es von den Pariser Straßen auf die größten Bühnen der Welt schaffte. Der blaue Engel Marlene Dietrich und der kleine französische Spatz Edith Piaf, zwei völlig unterschiedliche Frauen, deren Leben einander doch in vielem ähnelten. Beide überragende Bühnenstars mit unverwechselbaren Stimmen und beide getrieben vom Wunsch nach Anerkennung und Erfolg. Dass sich ihre Wege tatsächlich kreuzten, ist nicht vielen bekannt und gibt heute noch Anlass zu Spekulationen. Freundschaft oder Liebesaffäre, über die Art ihrer Beziehung ranken sich zahlreiche Gerüchte, dokumentierte Quellen sind dagegen recht spärlich. Allein in einer Notiz Piafs aus dem Nachlass der Dietrich zeigt sich die tiefe Verbundenheit: "Marlene, vergiss nie, dass ich Dich liebe“.

Legendenleben in Legenden

Mit "Spatz und Engel“ haben Daniel Große Boymann und Thomas Kahry Leben und Lieben der beiden Frauen zum Schauspiel mit Musik umgearbeitet. Am Burgtheater hat Matthias Hartmann das Stück, dessen Vorabpräsentation in Form von szenischen Lesungen in Graz und Wien bereits bejubelt wurde, eingerichtet. Maria Happel als Edith Piaf und Sona MacDonald in der Rolle der Marlene Dietrich garantieren in dieser Uraufführung für einen musikalischen Höhepunkt der Theatersaison.

Das Leben einer Legende lässt sich wohl am besten in Legenden erzählen, genauso verfahren jedenfalls Boymann und Kahry. Autobiographische Notizen, dokumentierte Anekdoten und recherchiertes Material leiten durch eine fiktive Geschichte, deren Ausgangsort die Damentoilette im New Yorker Playhouse ist. Dort versteckt sich die weinende Piaf nach ihrem ersten Auftritt in Amerika, das Publikum verschmäht das "French Girl“ zunächst, eine resolute Dietrich gibt ihr Starthilfe und reicht Klopapier zum Schnäuzen.

Entlang weltbekannter Chansons bauen Kahry und Boymann einzelne Lebensetappen zu kleinen Szenenfolgen um. Der beschwingte Beginn dieser langjährigen Freundschaft wird besungen mit den Zeilen "Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin, um was einzukaufen, um sich auszulaufen, durch die Straßen latschen, um sich auszuquatschen …“. Die kurze Darbietung von Happel und MacDonald lässt erahnen, warum "Sex and the City“ ein so großer Erfolg werden konnte. Es folgt eine Nacht im Plaza, Edith serviert Überraschungstee mit Rum, der überraschenderweise ganz ohne Tee auskommt und auch mit Whisky funktioniert. Eine goldene Kette mit einem Kreuz, das Geschenk von Marlene an Edith, liegt am Morgen bereit. Piaf hat diese Kette oft getragen und nahm sie sogar mit ins Grab, "daran werden sich die Würmer die Zähne ausbeißen“, lautet Ediths bissiger Kommentar.

Die Burgbühne als Varieté

Neben den Songs sind die pointiert verfassten Textpassagen die große Stärke des Stücks. Happel und MacDonald geben gekonnt den darin enthaltenen frechen Unterton wieder, lassen ihn bisweilen gerne ins Sarkastische kippen. Als szenische Begleiter fungieren Alexandra Henkel, Marcus Kiepe und Dirk Nocker. In unterschiedlichen Rollen kommentieren sie das Bühnengeschehen, lesen Regieanweisungen vor oder lassen einzelne Szenen aus der Vergangenheit sketchartig Revue passieren. Die Burgtheaterbühne hat Hartmann dafür in ein Varieté verwandelt, im Vordergrund steht ein Mikrofon, hinter den transparenten Wänden ist das Orchester platziert. Zwischen den Musikeinlagen fügt sich das szenische Geplänkel zu einem chronologischen Handlungsbogen, der von 1945, kurz vor dem ersten Zusammentreffen der beiden Stars, bis in die 1960er-Jahre reicht.

Die erste Hälfte des Abends ist von der Lebenslust Piafs geprägt, der Tod ihrer großen Liebe, des Boxers Marcel Cerdan, leitet ihren rapiden körperlichen und seelischen Verfall ein. Nach der Pause sind es vor allem die schwermütigen Lieder, die durch die letzten gemeinsamen Jahre der zwei Diven führen. Wie etwa die Komposition Charles Dumonts, die er der schwerkranken Sängerin 1960, drei Jahre vor ihrem Tod, auf den Leib geschrieben hat: "Non, je ne regrette rien“ ("Ich bedaure nichts“).

Jedes Lied ist ein Glanzlicht, das vom Publikum begeistert beklatscht wird, besonders Stimme und Körpersprache der Protagonistinnen überzeugen. Im Duett und Hand in Hand entfalten die musikalischen Darbietungen ihre größte Kraft. "La vie en rose“ wird von Happel und MacDonald am Ende noch einmal gegeben. Nicht viele Theaterabende schließen mit einer Zugabe und tosendem Applaus.

Spatz und Engel

Burgtheater

29. Oktober

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