Ein ausgefuchster Raumverwandler

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Wer Heimo Zobernigs räumliche Intervention im Österreich-Pavillon der heurigen Venedig-Biennale versäumt hat, kann sich mit einem Besuch seiner Ausstellung im Kunsthaus Bregenz trösten.

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Wer Heimo Zobernigs räumliche Intervention im Österreich-Pavillon der heurigen Venedig-Biennale versäumt hat, kann sich mit einem Besuch seiner Ausstellung im Kunsthaus Bregenz trösten.

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Die "erste wirkliche Ausstellung als neuer Direktor" des Kunsthaus Bregenz, so Thomas D. Trummer, ist eine, in der auf einen ersten Blick nicht wirklich viel zu sehen ist. Um erst auf einen zweiten zu offenbaren, dass mit Heimo Zobernig hier ein ganz ausgefuchster Raumverwandler zugange war. Der laut Trummer "ein Kantianer" sei, ein subversiver Spieler mit den Möglichkeiten des Zeigens und das am liebsten durch die Manipulation ganzer Räume.

Die sind im Fall des Bregenzer Kunsthauses riesig, wenn auch nicht so groß, wie der Hauptraum des Österreich-Pavillons in den venezianischen Giardini, den Zobernig diesen Sommer bekanntlich spektakulär unspektakulär bespielt hat. Das etwas gekappte, schwarz glänzende Modell der venezianischen Installation hängt nun über den Köpfen der Besucher schwebend im dritten Geschoß des Kunsthauses. Reizvoll mit dem Gegensatz von Leichtigkeit und Schwere spielend, ist das, was tonnenschwer daherkommt, in Wirklichkeit doch nur mit Klebefolie beschichteter Karton. Wo in Venedig die Säulen des Hoffmann-Pavillons die Raumskulptur durchbrochen haben, klaffen in Bregenz schwarze Löcher, die sich nach oben wunderbar zu Lichträumen öffnen. Sie entstehen, da Teile der üblicherweise den Raum in ein gleichmäßig diffuses Licht tauchenden gläsernen Lichtdecke demontiert wurden, um den Blick durch die gläserne Haushülle nach außen bzw. auf einen "Wald" von Leuchtstoffröhren freizugeben.

Geheimnisvoll, postapokalyptisch

Fast klein mutet angesichts der Wucht dieser Raumverwandlung die Figur an, mit der Heimo Zobernig das Ambiente bevölkert. Sie sollte bereits in Venedig ihren ersten Auftritt haben, wurde vom Künstler aber kurz vor der Eröffnung der Biennale wieder zurückgezogen, um nun in Bregenz den "idealen Rahmen" zu haben, so Zobernig. Die etwas überlebensgroße männliche Figur ist aus Bronze gegossen und trägt unverkennbar die Züge ihres Erschaffers. Die Arme hält sie vor den Körper, die Hände sind nach innen gekehrt, in Kopf und Körper sind Nägel geschlagen, sie sind von kleinen Röhren durchsetzt, von Rissen und Sprüngen infiltriert. Alles Gründe, weshalb die Figur irreal daherkommt, kaum an einen wirklichen Menschen erinnert, noch dazu, da der Körper den idealen Maßen von Schaufensterpuppen entspricht. Indem die Gusskanäle nur teilweise entfernt und die Oberflächen von den Spuren ihres Entstehens übersät sind, glaubt man hier einem eigenartigen Ritter oder auch einem geheimnisvollen, vom Meeresgrund geborgenen antiken Helden oder - für Trummer - einem postapokalyptischen Android gegenüberzustehen. Für ihn handelt es sich auf alle Fälle um "ein Meisterwerk der österreichischen Kunstgeschichte".

Steigt der Ausstellungsbesucher einen Stock tiefer, landet er in einem von schwarzen Molton-Vorhängen gebildeten Raum im Raum. Betritt man ihn, ist man mit einer bühnenhaften Leere, letztlich mit sich selbst konfrontiert. Steht in ihm doch nichts anderes als eine lange weiße Bank , die genauso skulpturales Objekt wie Gebrauchsgegenstand ist. Auch hier ist die gläserne Lichtdecke partiell geöffnet, um den Blick sozusagen in die "Eingeweide" der Zumthor'schen Architektur zu entführen.

Als "Regalkünstler" outet sich Heimo Zobernig im ersten Obergeschoß. Dieses hat er - an die Aufstellung der chinesischen Terrakotta-Armee erinnernd - in einem rechtwinkeligen Raster mit 26 Metamorphosen des weltweit meistverkauften Ikea-Regals vollgestellt. Und adelt dieses Regal zur minimalistischen Skulptur, indem er es verdoppelt, teilt, umlegt, mehrere ineinander verschachtelt, bemalt, mit Spiegeln versieht oder schwarz federt. Zwei der Objekte davon sind rund um Schaufensterpuppen gebaut, des "menschlichen Maßes" wegen, das ihm bei allem, was er tut, sehr wichtig sei, wie Zobernig sagt.

Wo dieses bei der 13,85 mal 12,8 Meter großen schwarzen Mauer bleibt, die der Künstler vor die des benachbarten Vorarlberger Landestheaters auf den Vorplatz des Kunsthauses gestellt hat, ist da die Frage. Hier gehe es "um die langen Schatten", die dieser Koloss werfe, erklärt Thomas D. Trummer, zu verstehen als Metapher für die neue Ära seiner Direktion.

Heimo Zobernig

bis 10. Jänner

Kunsthaus Bregenz

www.kunsthaus-bregenz.at

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