Ein Birnbaum im Koffer?

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Ich packe meinen Koffer und nehme mit "das beliebte Kinderspiel macht es (je nach Gedächtnisleistung) möglich, schier unendliche Mengen an Gegenständen in einen (imaginierten) Koffer zu packen. Die häufige Fragebogenfrage "Welche drei Dinge würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?" hingegen bringt auf den Punkt, wie schwierig es ist, sich diesbezüglich zu beschränken (und wie sehr man sich darüber definiert, ohne welche Gegenstände man auf keinen Fall sein kann). Brisant wird die Frage, wenn es nicht um eine zeitlich beschränkte Urlaubsreise geht, sondern um einen endgültigen Abschied: "Als ich mich gerade kämmte, sagte Papa, dass wir bald ausziehen werden. Mama hat sich so gefreut. Papa auch."

Die gebürtige Iranerin Sepideh Sarihi verortet ihre Geschichte, die erstmals 2015 in der Kinderzeitschrift Gecko erschien, nicht konkret, weder historisch noch geografisch. Lediglich subtile Bilddetails lassen vermuten, dass es sich um eine Reise aus dem Süden in den Norden handelt. Ebenso bleibt offen, um welche Art Umzug es hier geht -eine Auswanderung in ein anderes Land? Eine Flucht?

Wesentlich ist für die kindliche Ich-Erzählerin jedenfalls der Umstand, dass sie in ihren kleinen roten Koffer nur ihre liebsten Dinge einpacken darf. Ein Ding der Unmöglichkeit -denn wie soll so Wesentliches wie die beste Freundin, der Birnbaum und der Busfahrer Platz in einem Koffer haben? Es gilt also, eine kreative Lösung zu finden

Julie Völk setzt in ihren fein gearbeiteten, detailverliebten Illustrationen ein weiteres Mal auf die Signalfarbe Gelb und die Wirkung des Weißraums: So viel Raum der schlichte und poetische Text für eigene Assoziationen und Ideen lässt, so viel Raum wird auch im Bild gelassen. Wie die Geschichte changieren auch die Bilder zwischen einer ganz realen Ausgangssituation und surrealen beziehungsweise spielerischen Elementen: Denn während des Sinnierens über die Unmöglichkeit, sich zu beschränken, weiß das Kind den Koffer auf sehr vielfältige Art einzusetzen.

Das höchst gelungene Zusammenspiel zwischen Bild und (Para-)text zeigt sich nicht zuletzt ganz am Anfang und ganz am Ende des Bilderbuchs: Während am Schmutztitel die Ich-Erzählerin bange ihre beste Freundin umarmt und beiden die Sorge vor dem nahenden Abschied deutlich anzusehen ist, bieten jene Bilder, die den ganz ans Ende gestellten Biografien der beiden Künstlerinnen beigestellt sind, die Hoffnung auf eine neue Freundschaft -und vielleicht einen neuen Lieblingsmenschen.

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