Ein Buch, das verzaubert Titel

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Brian Moore greift das Thema der Frauen auf, die alles sehen und nichts verhindern können.

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Brian Moore greift das Thema der Frauen auf, die alles sehen und nichts verhindern können.

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Es gibt Bücher, die schon bei der ersten Berührung den Zauber einer schönen Geschichte ausstrahlen. Der neueste Roman des Iren Brian Moore "Die Frau des Zauberers" ist so ein Buch, dem man sich mit neugieriger Ehrfurcht nähert.

Der Autor hat immer große Lebensthemen in seinen Romanen verarbeitet. Im jüngsten Roman erzählt er zart und federleicht die Geschichte einer Französin in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die ihren Mann plötzlich in lebengefährliche politische Intrigen verstrickt sieht.

Dabei hat sie einen Künstler geheiratet, der im ganzen Land durch seine Zauberkunststücke bekannt ist. Auch sie hat er einst bezaubert. Sein Haus wird von elektrisch gesteuerten Marionetten bevölkert, und die Kunststücke, für die er unermüdlich probt und experimentiert, bringen ihn bis an den Hof Napoleons III., der sich bei den Darbietungen - ganz im Gegensatz zur Lesung des berühmtesten Dichters des Landes, die er verschläft - köstlich amüsiert. Auch die schöne Frau des Zauberers hat es dem kaiserlichen Lüstling angetan, was seinen Beratern nicht entgeht. Sie hecken einen Plan aus, den charismatischen Zauberer und seine unwiderstehliche Gattin zwecks politischer Intrige nach Algerien zu schicken. Emmeline, ebenso klug wie schön, merkt bald, daß die Geltungssucht ihres Mannes mißbraucht wird, doch er hat sich längst in den Wahn verrannt, als Diener Frankreichs zu unsterblichem Ruhm zu gelangen. Sie ist nur eine Frau, hat ihm beizustehen, schön und richtig gekleidet zu sein und sich vom Kaiser begrapschen zu lassen.

Algerien verzaubert sie so, daß alle Kunststücke ihres Mannes verblassen. Im Gegensatz zu Technik, Tand und Täuschung der Europäer findet die sensible Frau hier den Zauber des Geistes, der Religiosität und der vom kargen Wüstenleben geprägten Menschen. Hin- und hergerissen zwischen der Pflicht der Gattin und der Faszination Arabiens, wachsen ihre Zweifel an der geplanten Unterwerfung und Christianisierung des Landes. Plötzlich erscheint ihr der vielgerühmte - und hier als Satan gefürchtete - Zauberer als Scharlatan. Wie er mit Firlefanz seine Zuschauer täuscht, so wird er selbst von Firlefanz wie Orden und Lob für die Rettung der Nation geblendet. So daß er sogar sein Leben riskiert, um ein Held zu werden und schließlich als Krüppel zurückkehrt.

Er hat seinen Ruf und seine Ehre, die er verteidigt. Den Männern im Hintergrund geht es weder um Frankreich noch um Algerien, noch um einen Künstler und dessen Frau. Für sie ist alles ein strategischen Spiel. Sie flirten, lieben, loben und leben immer nur aus Taktik, nie von echten, tiefen Gefühlen verwirrt.

Szenen des politischen Alltags von heute fallen einem unwillkürlich ein, junge, schöne, magere Frauen mit traurigen Augen an der Seite erfolgreicher Politiker und Manager, vernachlässigte Familien, Oberflächlichkeit im Umgang mit Mitmenschen und die Härte, mit der langjährige Vertraute aus strategischen Gründen geopfert werden. Der Krieg heißt heute Kapitalismus oder politisches Parkett, die Opfer sind noch immer groß.

Emmeline vergleicht beunruhigt das äußerliche Christentum der Franzosen mit der spirituellen Begeisterung der islamischen Algerier. Dschihad, der heilige Krieg, ist bedrohlich in aller Munde. Auch dies ein hochaktuelles Thema, wie auch die stille Kraft jener Frauen, die spüren, sehen, erkennen und doch weder die Macht noch den Status besitzen, lenkend einzugreifen. Mitspielen dürfen sie, den "Zauberern" die Hilfsmittel bereiten und reichen, ihren Schlaf nicht stören, damit sie konzentriert genug für ihre Auftritte sind, weil sie zu Höherem bestimmt sind als zu den "gewöhnlichen Dingen ... Liebe, Ehe, Kindern".

Die Frau des Zauberers versucht gesellschaftliche Verpflichtungen und für sie untragbare Kompromisse zu verweigern, was ihre innere Würde rettet. Die Liebe zu ihrem Mann mit seinem kläglichen Wahn ist trotzdem stärker. Sein Rat, als eine Kugel in seiner Schulter steckt: "Verstell dich, verstell dich!"

Dieser Roman ist ein poetisches Werk mit vielen Schattierungen, das den Zauber der Wüste und arabischer Lebenskultur und die verborgene Kraft der Spiritualität, klarer Gedanken und Entscheidungen vermittelt. Es klingt die Hoffnung an, daß spirituell reiche Kulturen vorübergehend mit Waffen besiegt, aber nie wirklich unterworfen werden können, so wie kluge, liebende Frauen, die wie Wasser letztlich doch den Stein höhlen.

Die Frau des Zauberers Von Brian Moore, Übersetzung: Bernhard Robben. Diogenes Verlag, Zürich 1998, 310 Seiten, geb., öS 285,-

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